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Verhaltenstherapie |
Einführung Einleitung Jeder elfte deutsche Mann ist vom Alkohol abhängig, jede vierte Frau leidet mindestens einmal im Leben unter Depressionen. Psychische Probleme treten weit häufiger auf, als die meisten glauben. Möglicherweise sind Sie selbst betroffen, ansonsten sind es wahrscheinlich Freunde oder Bekannte von Ihnen. Für psychische Schwierigkeiten werden heute Hunderte verschiedener Therapien angeboten – doch welche kann wirklich helfen? Dieses Buch stellt die wissenschaftlich am weitaus besten abgesicherte psychologische Behandlungsmethode vor: die Verhaltenstherapie. Forscher haben in Tausenden von Untersuchungen bewiesen, daß Menschen mit ihrer Hilfe lernen können, selbst schwere psychische Probleme zu überwinden. Oft reichen dazu ein bis mehrere Dutzend Therapiestunden. Die einzelnen Kapitel fassen zunächst knapp zusammen, was die Wissenschaft heute über die wichtigsten Störungen sagen kann, etwa über Depressionen, Ängste, Eßstörungen oder psychosomatische Probleme. Vor allem aber schildern sie, welche Lösungen die Verhaltenstherapie anzubieten hat. Ich habe mich bemüht, möglichst lebendig darzustellen, wie Verhaltenstherapeuten arbeiten. Deshalb finden sich in diesem Buch zahlreiche Fallbeispiele. Einige sind der Fachliteratur entnommen. Für andere war ich von Oberbayern bis Schleswig-Holstein in Deutschland unterwegs, um mich bei führenden Therapeuten zu informieren und mir von Patienten ihre Erfahrungen berichten zu lassen. Bei einigen therapeutischen Sitzungen durfte ich sogar anwesend sein – wohl nicht zuletzt deshalb, weil ich selbst Psychologie studiert habe. Ein früher stark depressiver Patient erzählte mir, wie er seine schwere Krise überwand und wieder Freude am Leben gefunden hat. Ich wurde Zeuge, wie eine Frau in ihrer Wohnung den Kampf mit ihrer zwanghaften Angst vor Schmutz aufnahm und all das tat, wovor sie sich lange Jahre gefürchtet hatte. Stotterer zeigten mir, wie sie durch ständiges Üben mit Computerhilfe gelernt haben, zumindest zeitweise wieder fließend zu sprechen – obwohl mancher vorher kaum einen vollständigen Satz herausgebracht hatte, wie ältere Videoaufzeichnungen belegen. Bei ihnen allen bedanke ich mich für ihre Offenheit – ohne sie wäre dieses Buch so nicht möglich gewesen (die Namen sind natürlich geändert). Dank gilt auch den Therapeutinnen und Therapeuten (der besseren Lesbarkeit wegen wird im Rest des Buches nur noch von Therapeuten die Rede sein, obwohl natürlich beide gemeint sind). Sie haben sich viel Zeit genommen, mir ihr therapeutisches Vorgehen zu erklären. Geholfen haben mir auch zahlreiche Wissenschaftler, die mich über interessante Forschungsergebnisse informiert haben. Was ich aus all diesen Beobachtungen, Gesprächen und Bergen von Fachliteratur gemacht habe, landete als erstes auf dem Schreibtisch meiner Kollegin Martina Keller. Wie in unserem kleinen Journalisten-Büro üblich, hat sie die Texte mit hilfreichen kritischen Anmerkungen versehen, und ich habe wie gewohnt unwillig zur Kenntnis genommen, was noch alles zu verbessern ist. Eventuell trotzdem übersehene Fehler gehen natürlich zu meinen Lasten. Die Hauptkapitel dieses Buchs widmen sich jeweils einem Problembereich. Dazwischen diskutieren kürzere Fokus-Kapitel allgemeinere Fragen, zumeist Einwände gegen die Verhaltenstherapie: Sind ihre Vertreter Technokraten, die nur an Symptomen herumkurieren? Läßt sich wirklich messen, ob es Menschen psychisch besser geht? Jedes Kapitel ist für sich allein verständlich. Allerdings werden einige verhaltenstherapeutische Methoden bei unterschiedlichen Problemen eingesetzt. Um Langeweile zu vermeiden, sind sie nicht jedesmal von neuem ausführlich beschrieben. Es empfiehlt sich daher, zumindest die ersten Teile über Depressionen und Ängste in jedem Fall zu lesen, da hier Grundprinzipien erläutert werden, die auch bei vielen weiteren Störungen wichtig sind. Außerdem sind Depressionen und Ängste außerordentlich verbreitet und häufig Begleiterscheinungen von anderen Problemen. Therapie ohne Couch Vor ein paar Jahren wollte der Psychologe Robert Rosenthal von der Universität Harvard endlich wissen, wieviel die oft nicht ganz ernstgenommenen Anstrengungen seiner Zunft wirklich taugen. Er besorgte sich Forschungsergebnisse, um den Nutzen von Psychotherapie mit dem der Medizin zu vergleichen. Als Meßlatte wählte er ein Medikament, das sich als höchst wirksam erwiesen hatte: Seit die Operateure das Ciclosporin einsetzen, können sie Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen unterdrücken und so die Überlebenschancen der Patienten verbessern. Für die Psychotherapie hielt Rosenthal sich an den Befund einer großen Analyse, in der die Ergebnisse von fast vierhundert Studien zur Wirkung verschiedener Behandlungen zusammengefaßt worden waren. Natürlich lassen sich die Erfolge eines Medikaments nicht ohne weiteres mit denen psychologischer Therapien vergleichen. Schließlich verbessert das eine den körperlichen Zustand, die anderen helfen gegen Ängste oder Depressionen. Doch mit Hilfe mathematischer Tricks läßt sich berechnen, wie stark ihr Einfluß jeweils ist – sei es auf die Chance zu überleben oder auf das seelische Wohlbefinden. Der Vergleich lieferte ein erstaunliches Ergebnis: Psychotherapie bewirkt auf ihrem Feld ungefähr doppelt soviel wie das segensreiche Medikament in seinem. Andere Gegenüberstellungen brachten ähnliche Ergebnisse. So bringt Psychotherapie mehr, als das Standardmittel AZT gegen das Aids-Virus ausrichten kann. Was Psychotherapie vermag, läßt sich auch anders ausdrücken: Drei von vier Patienten geht es nach einer Behandlung besser als einem nicht Therapierten mit demselben Leiden. Das ist längst kein perfektes Ergebnis, aber weit besser, als die meisten Zeitgenossen glauben. Die halten es eher mit dem von Komiker Mel Brooks dargestellten Psychiater aus dem Film "Höhenkoller". Der zückt auf die Frage nach der Heilungsquote seiner Klinik einen Taschenrechner und antwortet: "Alle Jubeljahre einer". Man kann Nichtfachleuten nicht verdenken, daß sie die wissenschaftlichen Befunde zu Psychotherapie nicht kennen. Denn auch die meisten Psychotherapeuten kümmern sich kaum darum. Sie nehmen die Erfolgsmeldungen allenfalls als Beweis dafür, daß alles zum Besten steht und sie in Ruhe weitermachen können. Doch das ist der falsche Schluß. Denn die Ergebnisse der Therapieforschung belegen, daß die vielen psychotherapeutischen Behandlungen, die es heute gibt, keineswegs bei allen Problemen gleich gut helfen. Altehrwürdige Verfahren wie die Psychoanalyse schneiden bei wissenschaftlichen Vergleichen mittelprächtig ab, für den Nutzen vieler Modetherapien wie dem sogenannten Neurolinguistischen Programmieren gibt es keinerlei Belege. "Das Ausmaß der Begeisterung ist umgekehrt proportional zur Menge der Forschungsergebnisse", spottete Donald Meichenbaum vor ein paar Jahren auf einem großen Therapiekongreß in Hamburg. "Fast alles kann Psychotherapie genannt werden", kritisierte der renommierte Psychologieprofessor, es komme nur auf die Kreativität der Gründer an. Von "Atemtherapie" über "bioenergetische Analyse" bis zu "Therapeutischem Puppenspiel" reicht das Angebot in einer deutschen Großstadt. Einige hundert Therapieschulen hat der Markt hervorgebracht, doch die wenigsten können beweisen, daß sie etwas taugen.
Wie kann man sich also auf diesem nahezu unüberschaubaren Markt der Therapieangebote orientieren? Wissenschaftliche Studien haben eindeutig bewiesen, welches Verfahren Menschen am verläßlichsten und schnellsten hilft, selbst schwere Ängste loszuwerden: Eine dramatische Therapie, zu der neben Gesprächen auch die Konfrontation mit dem Horror gehört. Ein Patient muß möglicherweise stundenlang in einem winzigen Raum bleiben, sein Essen in der Kantine bei drangvoller Enge einnehmen und sich schließlich in einem kleinen Flugzeug durch die Luft schaukeln lassen. Die Chance, so in einem guten Dutzend Sitzungen Ängste loszuwerden, die oft das ganze Leben beherrschen, liegt bei 80 Prozent und ist damit weit besser als bei anderen Therapien. Doch kaum jemand erhält diese Behandlung tatsächlich. Im Jahr 1994 befragten Meinungsforscher im Auftrag der Universität Dresden 3000 Bundesbürger. Im Westen litten sieben Prozent an Ängsten, im Osten waren die Zahl doppelt so hoch. Nur etwa die Hälfte aller Leidenden war behandelt worden – die weitaus meisten mit Medikamenten. Ganze 16 Prozent hatten eine psychotherapeutische Behandlung erhalten – aber wiederum nur jeder Sechzehnte die Therapie, die ihm aller wissenschaftlichen Erkenntnis zufolge am besten helfen könnte. Diese wirksame Behandlung gehört zu einer Therapieform, die nur wenige Menschen überhaupt kennen: zur Verhaltenstherapie. Unter Wissenschaftlern gilt sie als das führende psychotherapeutische Verfahren. Keine andere Therapieform wird an den psychologischen Instituten der deutschen Universitäten so häufig gelehrt. Und keine andere Behandlung kann ihre Erfolge besser nachweisen – weltweit existieren zur Verhaltenstherapie zehnmal mehr Untersuchungen als für alle anderen Therapieformen zusammen. Die Verhaltenstherapie wurde von Wissenschaftlern entwickelt, die die Ergebnisse psychologischer Forschung nutzen wollten, um Menschen zu behandeln. Es gibt keinen charismatischen Gründer wie Sigmund Freud, dessen Schriften manche orthodoxen Anhänger noch immer als Bibel lesen. Was statt dessen zählt, sind nachweisbare Heilerfolge. Die Verhaltenstherapie wurde gewissermaßen dreimal erfunden. Unabhängig voneinander verfielen in den fünfziger Jahren mehrere Forschergruppen in drei Kontinenten auf den Namen Verhaltenstherapie: Joseph Wolpe und seine Schüler in Südafrika, Hans Jürgen Eysenck und seine Kollegen in London sowie die Anhänger von Burrhus Frederic Skinner in den USA. Sie versuchten, Gesetze des Lernens, die in Tierversuchen gefunden worden waren, für die Therapie von Menschen nutzbar zu machen. Dabei gingen sie oft naiv vor und übersahen, daß Menschen meist nicht nach denselben Regeln funktionieren. Ihre Theorien gelten heute als viel zu simpel. Doch ihrem obersten Prinzip sind die modernen Vertreter der Verhaltenstherapie treu geblieben: Auch noch so schöne Ideen müssen wissenschaftlich überprüft werden. So wurde die Verhaltenstherapie stetig weiterentwickelt. Noch immer steht jedoch das Lernen im Mittelpunkt. Menschen lernen, wie sie denken, wie sie handeln und wie sie fühlen. Wenn jemand Probleme hat, kommt es für ihn darauf an, neue Erfahrungen zu machen, um falsch Gelerntes zu ändern. Bei Flugangst ins Flugzeug zu steigen, hilft, weil der Patient lernt, daß nichts Schlimmes passiert. Oft agieren Verhaltenstherapeuten wie Trainer. Sie üben beispielsweise in Rollenspielen mit Schüchternen, einen Fremden anzusprechen. Die Patienten lernen dabei, welche Worte und Gesten für diese Situation passen könnten, und probieren, mit welcher Vorgehensweise sie sich am wohlsten fühlen. Dabei stellen sie fest, daß sie mehr können, als sie geglaubt hätten. "Therapie ist kein passiver Heilungs-, sondern ein aktiver Lernprozeß", formuliert der deutsche Verhaltenstherapeut Ralf Schneider. Nachdenken im Sprechzimmer ist schön und gut, doch ändern kann man sich letztlich nur im wirklichen Leben. Deshalb verteilen Verhaltenstherapeuten Übungsaufgaben für zuhause. Ein zerstrittenes Ehepaar muß beispielsweise systematisch trainieren, sich einfühlsam zu unterhalten. Nur in der Therapie darüber zu philosophieren, woher die Probleme kommen, bringt noch nicht viel – selbst wenn sich eine plausible Antwort findet. Verhaltenstherapeuten reden Klartext. Geheimnisvolle seelische Instanzen wie Es, Archetypen oder Kinder-Ich haben in ihrer Welt sowenig Platz wie Ströme psychischer Energie, von denen kein Physiker je gehört hat. Therapie, spottet der von Verhaltenstherapeuten gern zitierte amerikanische Psychologieprofessor Frederick Kanfer, ist "nicht irgend etwas Mysteriöses, Spirituelles, wo man in den Kopf des Patienten guckt." Das heißt nicht, daß Verhaltenstherapeuten die Gedanken ihrer Kunden egal wären. Sie gehen mit ihnen genau durch, wo möglicherweise falsche Vorstellungen die Lösung der Probleme behindern. Dann diskutieren sie darüber gezielt mit dem Patienten. Und auch mit der Kindheit halten Verhaltenstherapeuten sich nicht lange auf – im Unterschied zu manchen ihrer Kollegen – etwa den Psychoanalytikern. Dort kann es einer erwachsenen Patientin passieren, daß ihre starken Kopfschmerzen auf frühere Erfahrungen mit ihrem Vater zurückgeführt werden, weshalb sie erst einmal den Kontakt zu ihm abbrechen solle. Ein Verhaltenstherapeut würde kaum auf einen solchen Gedanken kommen. Vielleicht sind die Probleme tatsächlich in der Vergangenheit entstanden, doch das läßt sich nicht mehr klären. Gelöst werden müssen sie jedenfalls in der Gegenwart. Deshalb würde der Verhaltenstherapeut prüfen, ob die Beziehung zum Vater heute eine Rolle für die Schmerzen spielt und bei Bedarf mit der Patientin überlegen, wie sie souveräner mit ihm umgehen kann. Die Suche nach den Ursachen bringt nicht viel, argumentiert Arnold Lazarus, der die Verhaltenstherapie mitgeprägt hat: "Viele Menschen vergeuden Unmengen an Zeit mit dem Bemühen, sich zu ändern, indem sie die tieferen Bereiche ihrer Seele erforschen, sich in ihre Kindheit vertiefen, ihre Träume analysieren, dicke Wälzer lesen und philosophische Reflexionen über die Bedeutung des Lebens anstellen. Das Leben ist zu kurz, und solche Mühen sind zu lang". Verhaltenstherapie ist konsequenterweise keine großangelegte Expedition zum eigenen Ich. Die Forschung beweist, daß einige Dutzend Therapiestunden häufig ausreichen, um selbst massive Probleme in den Griff zu bekommen. Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel: Schwere Störungen der Persönlichkeit können eine jahrelange Behandlung erfordern. Schnelle Besserungen gelten unter Verhaltenstherapeuten nicht als Zeichen für oberflächliche Pfuscherei – im Gegenteil. "Deine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß es dem Patienten im nächsten Monat besser geht als heute", schärfte Altmeister Kanfer Kollegen bei einem Workshop in Deutschland ein. Er warnte davor, einen Patienten länger als notwendig in der Therapie behalten: "Don’t try to make him perfect. Er ist nicht Ihr Kind." Verhaltenstherapeuten versuchen nicht, einen neuen Menschen aus jemandem zu machen. Therapie ist für sie kein Läuterungsprozeß, der tiefe neue Einsichten in die eigene Psyche ermöglicht. Es geht darum, konkrete Probleme zu lösen. Das kann sehr viel sein. Patienten trauen sich wieder unter Menschen, fühlen sich nur noch selten depressiv, essen wieder normal, anstatt sich fast zu Tode zu hungern. Ob diese Ziele erreicht werden, läßt sich überprüfen, und Verhaltenstherapeuten tun das auch. Dazu sprechen sie nicht nur mit ihren Patienten, sondern bitten sie, Fragebogen auszufüllen oder auf die Waage zu steigen, um Fortschritte möglichst unvoreingenommen feststellen zu können. Die Erfolgsbilanz der
Verhaltenstherapie Weil Verhaltenstherapeuten immer überprüft haben, ob ihre Methoden auch wirklich helfen, schneiden sie heute bei Vergleichen mit anderen Therapien hervorragend ab. Der in Bern lehrende Psychologieprofessor Klaus Grawe veröffentlichte 1994 eine 885 Buchseiten schwere Zusammenfassung der bisherigen Therapieforschung, an der sein Team 13 Jahre lang gearbeitet hatte. Als er mit der Arbeit anfing, glaubte Grawe noch, die wichtigsten Therapieformen seien ungefähr gleich hilfreich. Doch er stieß auf einen anderen Trend, den er skeptisch immer wieder überprüfte, bevor er schließlich einen Vergleich der Verhaltenstherapie mit ihren Hauptkonkurrenten veröffentlichte. Er befand Verhaltenstherapie "im Durchschnitt hochsignifikant wirksamer als psychoanalytische Therapie und Gesprächspsychotherapie". Kritiker Grawes behaupten, in neuen, von ihm noch nicht berücksichtigten Arbeiten schneide die Psychoanalyse besser ab. Der Ulmer Forscher Volker Tschuschke präsentierte sogar eine eigene Studie als Beleg. Er mußte sich von Grawe jedoch vorhalten lassen, daß er darin selbst zehn von 16 Behandlungen als Fehlschlag eingestuft hatte: "Wie man diese Bilanz als Erfolgsnachweis psychoanalytischer Therapie verkaufen kann, bleibt mir unerfindlich". Manche Psychoanalytiker versuchten gar nicht erst, Gegenbeweise beizubringen, sondern attackierten Grawe lieber persönlich. Sie stellten die Ferndiagnose "unbearbeiteter Narzißmus" und schimpften ihn einen "omnipotenten Oberlehrer". Der Psychoanalytiker James Hillman erklärte schon die Frage nach der Wirksamkeit von Therapie für faschistisch: "Da sind wir schnell wieder bei 1933. Auch die KZs waren effizient.‘ Solche Vorbehalte sind mit dafür verantwortlich, daß die klassische, mehrere hundert Stunden dauernde Langzeit-Psychoanalyse bis heute wissenschaftlich so gut wie nicht untersucht ist. Deshalb weiß letztlich niemand, ob und wann sich der hohe Aufwand überhaupt lohnt. Das kritisiert auch Tschuschke: "Es darf nicht sein, daß eine solch klinisch etablierte Methode so wenig über ihre wahren Wirkmechanismen und Effekte bei speziellen Krankheitsbildern dokumentieren kann". Der Streit um Therapieerfolge tobt auch deshalb so heftig, weil neben persönlichen Überzeugungen viel Geld auf dem Spiel steht. Die Psychoanalyse hat bereits erhebliche "Marktanteile" an die Verhaltenstherapie verloren, seit diese 1976 erst von den Ersatzkassen und 1987 schließlich auch von den Allgemeinen Ortskrankenkassen anerkannt wurde – als einzige neben der Analyse und von ihr abgeleiteten Verfahren. Wenn 1999 das neugeschaffene Psychotherapeuten-Gesetz in Kraft tritt, werden die Patienten erstmals allein entscheiden dürfen, zu welchem Psychotherapeuten sie gehen wollen. Bisher konnten die Ärzte zumindest theoretisch Einfluß nehmen, sofern die Kasse bezahlen sollte. Spätestens jetzt wird also auch für Hilfesuchende die Frage interessant, welche Erfolge die verschiedenen Therapien nachweisen können. "Mir ist es letztlich egal, was Therapeuten anbieten. Nur finde ich es nicht richtig, wenn sie ihre Erfolgsquoten nicht auf den Tisch legen und begründen können", argumentiert Professor Kanfer: "Jeder Klient hat das Recht zu erfahren, was die Hilfe bringt, für die er zahlt". Die Karten der Verhaltenstherapie liegen auf dem Tisch. Selbst Wissenschaftler, die insgesamt keine großen Unterschiede zwischen den Wirkungen der einigermaßen gut erforschten Therapien sehen, bescheinigen ihr bei wichtigen Problemen einen deutlichen Vorsprung, etwa bei Ängsten, Panikattacken, Zwängen, Spannungskopfschmerzen, Schlaflosigkeit und anderen psychosomatischen Problemen. |