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Schlafstörungen - |
SÜDWESTRUNDFUNK SWR2 Wissen - Manuskriptdienst Autor: Jochen Paulus
Redaktion: Sonja Striegl Sendung: Mittwoch, 9.
Juli 2014, 08.30 Uhr, SWR2 Bitte
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ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD
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mit Musik (Passage mit Sprache frei, dann pure Musik unterlegen): Entdecken Sie vielleicht, wenn Sie Ihren
Blick über die Insel wenden, die eine oder andere Wiese. Sprecherin: Kann
man Schlafen lernen? Ein Seminar verspricht genau das. O-Ton
1b - Ralf Binder / Fantasiereise mit Musik (Passage mit Sprache frei, dann
pure Musik unterlegen): Mit bunten Blumen. Sprecherin: Die
Teilnehmer begeben sich beispielsweise auf eine Fantasiereise. O-Ton
1c - Ralf Binder / Fantasiereise mit Musik (Passage mit Sprache frei, dann
pure Musik unterlegen): Mit Blumen, an denen Sie vielleicht
riechen wollen. Mit Blumen, die sie vielleicht lange nicht mehr gesehen
haben. Sprecherin: Ein
Psychologe leitet sie an. O-Ton
1d - Ralf Binder / Fantasiereise mit Musik (Passage mit Sprache frei, dann
pure Musik unterlegen): Und sie gehen zu der Wiese. Bücken
sich. Sprecherin: „Schlafstörungen -
Mit Pillen oder Psychologie gegen ein weitverbreitetes Übel?" Eine Sendung von Jochen Paulus. O-Ton 1e - Ralf Binder
/ Fantasiereise mit Musik (Passage mit Sprache frei, dann ausblenden): Wie fühlt sich der
Geruch an? Wie fühlt sich die Blume in der Hand an? Sprecherin: Eine solche Reise in der Fantasie
können die zwanzig Seminarteilnehmer von nun an unternehmen, wenn sie im Bett
liegen und nicht einschlafen können. Sie lernen noch vieles andere über den
Schlaf und wie sie ihn finden können. Sie erfahren, dass es gut sein kann,
erst einmal auf Schlaf zu verzichten und Übermüdung in Kauf zu nehmen. Sie
sind beim „Seminar zur Förderung des gesunden Schlafes", das das
Pfalzklinikum im idyllisch gelegenen Ort Klingenmünster alle paar Monate
anbietet. O-Ton 2 - Ralf Binder
/ Fantasiereise mit Musik: Welche Bilder, welche Gedanken
entstehen in Ihnen? Während Sie an der Blume riechen? Sprecherin: Das psychiatrische Krankenhaus zwischen
den Hügeln der Pfalz ist eine Anlaufstelle für die schweren Fälle. Für
Menschen, die ihre Nächte als Horror erleben. Begonnen hat das zweitägige
Schlafseminar am Vortag mit einer Vorstellungsrunde, bei der die Teilnehmer
von ihren Problemen erzählen. Herbert Geiger ist einer von ihnen. Der
57-jährige Raffinerie-Arbeiter, der hier wie alle Teilnehmer nicht seinen
wirklichen Namen trägt, findet oft nur ein paar Stunden Schlaf in der Nacht.
Jedenfalls kommt es ihm so vor. Diese Probleme hat er schon seit Jahren. O-Ton 3 - Herbert
Geiger: Zuerst war es so schlimm mit den Ein-
und Durchschlaf-Störungen, dass ich schon auf meine Frau einen gewissen Hass
entwickelt habe, wenn sie geschlafen hat und ich nicht. Und da dachte ich,
aha, höchster Alarm, ich muss was tun. Und hab' durch Zufall in der Zeitung
hier, im Ortsblatt, auch gelesen, dass das Angebot hier in der Pfalzklinik da
ist, Hilfe zu bekommen. Sprecherin: Die Teilnehmer sind in der Klinik
einquartiert. Da sie über Nacht bleiben, können sie das Gelernte gleich
ausprobieren und am nächsten Tag darüber berichten. Den Großteil des Seminars
füllen die Vorträge und Gruppengespräche aus, auf Wunsch gibt es aber auch
Einzelgespräche. Das Seminar des Pfalzklinikums sei eine Rarität, sagt Dr.
HansGünter Weeß. Er leitet die schlafmedizinische Abteilung und übernimmt
viele der Vorträge selbst. O-Ton 4 - Hans-Günter
Weeß: Die Angebote sind leider nicht so
verbreitet. Obwohl ein außerordentlich hoher Bedarf da wäre. Zirka sechs
Prozent der Bevölkerung leiden an solchen Ein- und Durchschlafstörungen. Sprecherin: Werden jene mitgezählt, bei denen sich
die Probleme bislang nicht zu einer regelrechten Krankheit ausgewachsen
haben, haben sogar dreißig Prozent der Deutschen ernsthafte Probleme,
einzuschlafen und durchzuschlafen. Das ergab eine Untersuchung des
staatlichen Robert Koch-Instituts 2013 mit 8.000 Teilnehmern. Auch wer sich
in der Fußgängerzone umhört, begegnet vielen, die ihre Nächte häufig nicht
erholsam finden. O-Ton 5 - Collage: Oh, ich bin ein unruhiger Schläfer.
Wache also alle zwei Stunden auf. Oder wenn ich Wein getrunken habe oder
schwierige Gedanken habe, dann alle Stunde. Und manchmal schlafe ich bis fünf
Uhr nicht. // Ich schlafe momentan schlecht.. Das liegt wahrscheinlich am
Wetter oder was. Ich kann mir das nicht erklären. // Wir brauchen vielleicht
nicht mehr so viel Schlaf und dann macht man das halt so: Dann geht man spät
ins Bett und kommt so einigermaßen über die Runden. Aber ich bin oft um fünf
Uhr wach. Könnte gut noch zwei Stunden schlafen. // Die Probleme sind die
Flugzeuge. Ich wohne in einer Überflugschneise. Also da wird man in der Nacht
bis zu vier, fünfmal geweckt. // Ich stehe da manchmal auf, mache mir einen
Tee. Ja was soll ich machen? Ich lese dann. Wenn man zwei, drei Stunden wach
liegt, ist es auch blöd, gell, wenn man nichts macht, gell. Sprecherin: Schon in der Antike haben Menschen über
schlechten Schlaf geklagt. In Shakespeares Dramen finden Könige nachts keine
Ruhe. Aber die Probleme mit dem Schlaf scheinen doch zugenommen zu haben -
und seine Länge ab. Allein in den beiden vergangenen Jahrzehnten ist die
durchschnittliche Schlafdauer um eine Stunde zurückgegangen, behauptet die Deutsche
Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Schon
Kinder und Jugendliche bleiben nicht mehr so lange im Bett wie vor hundert
Jahren. Dazu ließen Forscher der Universitätsklinik Marburg über achttausend
junge Menschen befragen. Unter der Woche kommen die Auszubildenden und
Schüler im Schnitt nur auf sechseinhalb Stunden Schlaf pro Nacht, viele sogar
auf weniger als sechs. Am Wochenende bleiben sie länger liegen, doch ihr
Schlafdefizit gleichen sie so nicht aus. O-Ton 6 - Mann (jung): Ungefähr fünf, sechs Stunden, maximal
vielleicht sieben. Aber das reicht mir vollkommen aus. Ich bin noch jung, ich
will was erleben, ich will noch rausgehen mit Freunden. Auch arbeiten, aber
auch wenig Schlaf. Sprecherin: Ein Hauptgrund für die kurzen Nächte
liegt für Schlafforscher in dem immensen Medienangebot. Als der Freiburger
Schlafforscher Prof. Dieter Riemann jung war, sah das noch anders aus. O-Ton 7 - Dieter
Riemann: Ich kann mich selber erinnern, ich bin
Jahrgang 58 und Fernsehen früher war um zwölf Uhr Mitternacht aus und dann
kam das Testbild. Oder sogar um elf in Bayern. Ich glaube ich kann zuhause
jetzt Hunderte von Kanälen anschauen rund um die Uhr. Also ich hab'
Freizeitangebot, ich hab' Internet, ich hab' die ganzen elektronischen
Medien. Das ist für Kinder und Jugendliche eine gewisse Verführung, wenn man
das Handy neben dem Bett liegen hat, das man dann noch simst und whatsappt
und was auch immer. Und es nachts auch anhat, dann stört das auch. Sprecherin Das gilt nicht nur
für den Nachwuchs. O-Ton 8 - Frau (alt): Also ich habe einen PC seit 20 Jahren
und habe noch ein iPad im Bett. Und das ist natürlich nicht gut. Es gibt so
viele schöne Sachen bei Arte, da muss ich dann immer gucken. Sprecherin: Auch beim
Schlafseminar des Pfalzklinikums Klingenmünster geht es natürlich darum,
warum Menschen nachts keine Ruhe finden. Schlafstörungen könnten viele
Ursachen haben, erläutert Psychologe Hans-Günter Weeß. O-Ton 9 - Hans-Günter Weeß: Die können organischer Genese sein,
können durch Medikamente hervorgerufen werden, durch Nebenwirkungen
beispielsweise und sehr viele Schlafstörungen haben eben eine psychologische
Komponente. Sprecherin: Die Teilnehmer suchen die Gründe vor
allem in ihren Lebensumständen, so wie Peter Voigt. O-Ton 10 - Peter Voigt: Ja mein Problem hat begonnen nach
Stress im Geschäft. Ich hab plötzlich nicht mehr schlafen können, nicht mehr einschlafen
können. Das Problem hat sich dann weiter entwickelt, dass das immer wieder
kam. Sprecherin: Auch Herbert Geiger, der Raffinerie-Arbeiter,
der ins Schlafseminar gekommen ist, weil er seiner Frau den Schlaf neidete,
führt seine Probleme auf seinen Beruf zurück. O-Ton 11 - Herbert
Geiger: Die Ursache, denke ich, kommt daher,
ich bin schon seit 30 Jahren im vollkontinuierlichen Wechselschichtbetrieb
tätig und da ist halt mit festen Schlafzeiten, ist es schon ein Problem. Sprecherin: Immer mehr Menschen
geht es wie Herbert Geiger. Neun Millionen Menschen in Deutschland arbeiten
mittlerweile regelmäßig abends, drei Millionen nachts. Diese große Gruppe von
Schichtarbeitern leidet besonders häufig an Schlafproblemen. Mitarbeiter des
Pfalzklinikums schulen mittlerweile in Betrieben vor allem Schichtarbeiter in
der Kunst, trotz ihrer schwierigen Arbeitszeiten noch genügend Schlaf zu
finden. So empfehlen sie etwa, nach der Nachtschicht mit einer Sonnenbrille
auf der Nase heimzufahren, weil das helle Tageslicht sonst den Körper
wachmacht und das Schlafen erschwert. Nicht wenige Menschen haben allerdings
auch ohne Schichtarbeit Schwierigkeiten mit der Arbeitszeit, während andere
gut zurechtkommen. Glück haben die, die früh munter sind, weiß
Diplom-Psychologe Werner Cassel vom schlafmedizinischen Zentrum der
Universitätsklinik Marburg. O-Ton 12 - Werner
Cassel: Es gibt die Morgenmenschen, nennt man
auch oft die Lerchen. Die können problemlos um fünf, halb sechs aufstehen,
fühlen sich dann auch schnell nach dem Erwachen frisch, leistungsbereit, sind
auch leistungsfähig, haben auch oft ihre beste Zeit in der Zeit ungefähr bis
zum Mittag, in der ersten Hälfte der Aktivitätsphase. Und sind dann aber
Menschen, die eben abends oft früh von selbst müde werden. Sprecherin: Für Nachteulen ist es
dagegen hart, früh aufzustehen, um pünktlich am Schreibtisch zu erscheinen.
Die meisten Menschen liegen irgendwo zwischen diesen beiden Extremen. O-Ton 13 - Werner Cassel: Aber es gibt diese richtigen Typen, die
ganz Frühen und die ganz Späten, alles dazwischen. Und es gibt auch gewisse
Hinweise darauf, dass es nicht antrainiert ist oder eine reine Gewohnheit
ist, sondern dass es diese Chronotypen eben wirklich biologisch gibt und dass
es auch Familien gibt, in denen es besonders häufig Abendtypen gibt und
andere Familien, in denen es häufig Morgentypen gibt. Atmo: Wecker ticken O-Ton 14 - Collage: Ich bin morgens ein Faulpelz und abends
bin ich oft sehr wach. Also ich bin so ein Abendmensch. // Ich stehe auf ganz
früh jeden Tag normalerweise. Und ich bin verheiratet auch so, aber ich stehe
auf immer früher als meine Frau. // Also ich komme morgens super raus. Ich
kann abends, okay, ich bin eigentlich auch so ein halber Nachtmensch. Ich
brauche nicht mehr so viel Schlaf. Ich bin meistens bis zwei Uhr auf, halb
drei oder so. Und komme dann morgens um sechs Uhr, werde ich automatisch
wach, brauche gar keine Uhr, gar kein Wecker mehr. // Also ein Frühvogel bin
ich auch nicht. Aber ich habe auch das Glück, dass ich erst um acht aufstehen
muss. Und das ist ja ganz human. Und dann geht das schon. Atmo:
Wecker
ticken aus Sprecherin: Die moderne Marktwirtschaft sorgt aber
nicht nur für Schlafprobleme. Sie bietet auch alle möglichen mehr oder
weniger seriösen Hilfen an. Die Einwohner der USA geben jährlich 32
Milliarden Dollar für ihre Nachtruhe aus. Sie gehen dafür in Schlafkliniken,
kaufen Schlafmittel oder erstehen Kerzen, die wie ein offener Kamin knistern,
das Stück zu 75 Dollar. Auch eine Matratze mit Meerestang und Kokosnussschalen
für 12.000 Dollar gibt es. In Deutschland fehlt es ebenfalls nicht an
Angeboten. Das erfährt Psychologe Weeß regelmäßig von seinen
Seminarteilnehmern. O-Ton 15 -
Hans-Günter Weeß: Viele waren beim Homöopathen, da war
der Wünschelrutengänger im Haus, da wurde das Bett dann umgestellt, da wurde
Elektrosmog beseitigt, da wurde die Magnetfeldtherapie in der Bettdecke sich
angeschafft für teuer Geld. Letztendlich sind das alles frustrane Bemühungen,
weil der Kern der Ursache, der wurde nicht erkannt und der wurde nicht
behandelt. Atmo:
SomnialDemo
(kurz frei, dann unterlegen) Sprecherin: Auch speziell aufbereitete Musik soll
für Schlaf sorgen. Die „Somnia-Reihe" arbeitet mit Tönen, die für das
eine Ohr ein bisschen höher abgespielt werden als für das andere. Dadurch
entstehen im Gehirn Wellen, deren Höhe dem Höhenunterschied der beiden Töne
entspricht. So lassen sich Gehirnwellen erzeugen, wie sie sonst im Schlaf
auftreten. Das soll Schlaf auslösen. Am besten wiedergeben lässt sich die
Musik angeblich mit einem besonders hochwertigen Abspielgerät namens
inPulser, zu dem es auch ein spezielles Kopfkissen mit eingebauten
Lautsprechern gibt. Das Basisset kommt auf 649 Euro, die Deluxe-Variante auf
809 Euro. Neben Privatleuten greifen auch Kliniken und Pflegeheime zu. Atmo:
Somnia1Demo
(kurz frei, dann unterlegen) Sprecherin: Psychologen der Universität Köln haben
die Spezialmusik in einer kleinen Studie getestet. Ihre Versuchspersonen
fanden tatsächlich eine halbe Stunde Tiefschlaf mehr in der Nacht als eine
Gruppe mit Placebo-Musik. Die Arbeit wurde allerdings nie in einer
wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlicht. Während einige Schlafmediziner
das Verfahren empfehlen, bleibt der Freiburger Schlafforscher Dieter Riemann
vorsichtig. O-Ton 16 - Dieter
Riemann: Und dann gibt es so Angebote, die
sagen, das sind spezielle Frequenzen, Musik, die regt in ihnen den Tiefschlaf
an oder solche Dinge. Und da bin ich skeptisch. Da meine ich, es gibt keine
wissenschaftliche Evidenz, dass man durch Musik oder solche Angebote wirklich
Tiefschlaf anregen könnte. Da wäre ich sehr skeptisch bei solchen Angeboten. Atmo: Somnia1Demo (kurz
frei, dann unterlegen) Sprecherin: Es ist kein Wunder, dass viele verzweifelt
versuchen, länger und besser zu schlafen. Denn zu kurzer oder schlechter
Schlaf kann womöglich das Leben verkürzen. In einer Studie mit 185 gesunden
Senioren wurde gemessen, wie lange sie brauchten, um einzuschlafen. Zwölf
Jahre später waren von denen, die länger als eine halbe Stunde gebraucht
hatten, doppelt so viele gestorben wie von denen, die schneller
einschlummerten. Andere Statistiken bescheinigen Kurzschläfern eine kürzere
Lebenserwartung. Die Teilnehmer des
Schlafseminars ahnen zumindest, dass zu wenig Schlaf auf Dauer ungesund ist.
Außerdem wollen sie ja munter am Arbeitsplatz erscheinen. Deshalb versuchen
sie, unbedingt genügend Schlaf zu bekommen. Doch um jeden Preis schlafen zu
wollen, nützt gar nichts. Es schadet nur. Versucht der Psychologe Dr. Ralf
Binder den Teilnehmern klarzumachen. O-Ton 17 - Ralf
Binder: Die zentrale Idee ist folgende: Im
Grunde wollen wir den Betroffenen vermitteln, dass der Kampf gegen die
Schlaflosigkeit die Schlaflosigkeit erst richtig chronifiziert. Ein normaler
Schläfer geht abends zu Bett, der kommt ganz runter, die Stresshormone fahren
runter, ist messbar. Beim Schlafgestörten ist es gerade umgekehrt. Also der
aktiviert sich. Der geht ins Bett und aktiviert sich, wird voll aktiviert,
das ist ein richtiges Stresserleben, das da entsteht und das hindert den
natürlich am Schlafen. Sprecherin: Viele
Teilnehmer kennen dieses Phänomen zur Genüge. Peter Voigt erlebt es immer
wieder. O-Ton 18 - Peter
Voigt: Ich merke nach einer halben Stunde, ich
bin immer noch nicht eingeschlafen. Im Gegenteil, es kommt eine Unruhe auf,
die Herzfrequenz geht hoch. Ich beginne zu schwitzen und denke, ach du liebe
Güte, das funktioniert nicht, ich komme nicht in den Schlaf. Ich gucke auf
die Uhr, es ist eins. Wie viele Stunden habe ich noch bis morgens zum
Aufstehen? Vier, fünf Stunden. Ich muss doch schlafen, das geht doch nicht.
Ich versuche, wieder einzuschlafen, drehe mich um. Es passiert nichts. Sprecherin: Herbert Geiger
überlegt, was er nun mit der Erkenntnis macht, dass unbedingt Schlafen zu
wollen den Schlaf vertreibt. O-Ton 19 - Herbert
Geiger: Ja, mit der Botschaft konnte ich schon
was anfangen, das leuchtet auch ein. Das ist ja irgendwo logisch. Wenn ich
mich in ein gewisses Muss rein zwinge, dann endet das in einem Teufelskreis.
Nur, wie unterbreche ich, also die Praxis, das ist das Schwierige. Wie kann
ich das für mich verwirklichen, dass ich aus diesem Teufelskreis rauskomme. Sprecherin: Psychologe Weeß empfiehlt im Seminar, es
heute Abend anders zu machen. Vielleicht erst entspannt ein Buch lesen und
dann im Bett Schäfchen zählen oder langweilige Rechenaufgaben machen, etwa
mit 10.000 anfangen und dann immer wieder 13 abziehen. Viele Menschen mit
Schlafproblemen versuchen dagegen in ihrer Verzweiflung, dem Schlaf künstlich
nachzuhelfen. In der Umfrage für das Robert KochInstitut gaben sechs Prozent
der Deutschen an, im vergangenen Monat Schlafmittel genommen zu haben. O-Ton 20 - Collage: Ich nehme jeden Tag eine halbe Schlaftablette,
muss ich nehmen. Vom Arzt verordnet, wissen Sie. Mein Professor ist Dozent,
Professor und hat zwei Doktortitel. Ich bin in besten Händen. // Ich habe das
probiert. Als mein Mann gestorben ist, da habe ich so das Gefühl gehabt, das
liegt alles da dran und so. Dann habe ich probiert, ging überhaupt nicht.
Konnte nehmen, was ich wollte. Es hat nichts genützt. // Ich habe mal eine
Zeit lang so mit Johanniskraut und mit solchen Dingen das probiert, Baldrian
und so versucht. Aber es hat keine besondere Wirkung gehabt bei mir. // Nein,
das ist keine Lösung dafür. Würde ich in jedem Fall ablehnen. Das Einzige was
man machen kann eventuell, die Wohnung mal irgendwann wechseln. Woanders
hinziehen, wo der Flugverkehr nicht so stark im Trend liegt. Sprecherin: Die Zweifler haben recht mit ihrer
Vorsicht. Die gängigen Schlafmittel können abhängig machen. Viele Ärzte
weichen daher auf andere Mittel aus. Dr. Christoph Nissen, Oberarzt an der
psychiatrischen Universitätsklinik in Freiburg findet das sinnvoll. O-Ton 21 - Christoph Nissen: Also Antidepressiva, die neben der
Hauptwirkung einer antidepressiven Wirkung, die sie erst bei hoher Dosierung
haben, schon in niedriger Dosierung auch eine schlaffördernde Wirkung haben.
Und diese Substanzen haben den ganz klaren Vorteil, dass sie nicht zu einer
Abhängigkeitsentwicklung führen. Sprecherin: Ärzte greifen auch zu Medikamenten, die
ursprünglich gegen Wahnvorstellungen und andere Symptome von Schizophrenie
eingesetzt wurden, sogenannten Neuroleptika. Doch Antidepressiva wie
Neuroleptika haben Nebenwirkungen. Kritiker beklagen überdies, dass sie in
Pflegeheimen gerne auch mal höher dosiert werden, um nervende Bewohner
ruhigzustellen. Man sollte also nachfragen, was für Pillen die Schwester da
überreicht. Ein Schlafmittel mit weniger Problemen als bei den derzeit
eingesetzten Medikamenten wird daher dringend gesucht. Viele Spezialisten
setzen auf einen Wirkstoff namens Suvorexant, der im Gehirn als Gegenspieler
des Botenstoffs Orexin fungieren soll. O-Ton 22 - Christoph
Nissen: Orexin ist ein Botenstoff, der erst in
den letzten zehn Jahren besser untersucht wurde. Orexin wird von einer
kleinen Nervenzellpopulation im Hypothalamus produziert. Das sind nur 40.000
Nervenzellen, eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich zu den
Milliarden Nervenzellen des Gehirns. Er ist aber ein sehr wichtiger
Botenstoff, der den Wachzustand stabilisiert und eine neue Idee ist, über
einen Orexin-Antagonismus Schlaf zur fördern. Und es gibt in den USA aktuell
einen zugelassenen Orexin-Antagonisten, der in Europa noch in Erprobung ist,
wahrscheinlich aber auch zugelassen wird. Sprecherin: Doch noch ist unklar,
ob es wirklich ungefährlich ist, den Gehirn-Botenstoff Orexin zu blockieren. Ein ideales Schlafmittel
gibt es also nicht und wird es vielleicht nie geben. Deshalb gelten
psychologische Behandlungen heute auch unter Medizinern als erste Wahl. Dabei
erfahren die schlaflosen Patienten überraschende Details über ihr Problem,
das Experten „Insomnie" nennen. Es fängt damit an, dass sie meist längst
nicht so viel Schlaf versäumen, wie sie glauben, Das zeigen Untersuchungen im
Schlaflabor. Im Mittel schlafen sie eine halbe Stunde pro Nacht weniger als
andere. Und selbst das hat erst einmal keine dramatischen Folgen,
argumentiert Professor Riemann, der Freiburger Schlafforscher. O-Ton 23 - Dieter
Riemann: Also eigentlich müssten die ein Schlafdefizit
haben, das müsste sich anreichern und dann würde man immer müder und müder.
Das ist mitnichten so. Insomnie-Patienten sind wacher tagsüber.
Insomnie-Patienten schneiden in der Regel nicht schlechter in Tests ab und
sie schlafen auch tagsüber nicht schneller ein. Was für uns dafür spricht,
dass die Balance zwischen den Gegenspielern - es gibt ein Schlafsystem und
ein Wachsystem - dass die Balance gestört ist und dass vielleicht das System,
das sozusagen uns wachhält, zu stark ist. Sprecherin: Menschen, die nicht gut schlafen
können, sind also womöglich besonders wache Zeitgenossen. Dass sie trotz
ihrer Probleme in der Nacht am Tag meist gut mithalten können, stellt auch
Schlafseminar-Teilnehmer Geiger fest. O-Ton 24 - Herbert
Geiger: Ich habe auch oft den Eindruck, dass
ich nur drei Stunden oder so geschlafen habe und wir haben ja auch heute
Mittag mal drüber gesprochen, dass man den Tag dann trotzdem schafft. Das ist
ja das Phänomen: Ich liege dann nachts im Bett und ach ne, jetzt nur zwei oder
drei Stunden und Frühschicht und da ist sowieso viel los. Das schaff' ich
nicht, das schaff' ich nicht. Es hat bis jetzt immer geklappt. Ich habe es
immer geschafft. Sprecherin: Aber es ist eben auf die Dauer nicht
gesund, wenig zu schlafen und die Insomnie-Patienten fühlen sich tagsüber oft
müde. Darum wollen sie im Schlafseminar lernen, mehr zu schlafen. Der
Psychologe Ralf Binder, der beim Seminar vor allem für den praktischen Teil
zuständig ist, gibt viele Ratschläge. O-Ton 25 - Ralf
Binder: Die wichtigsten Maßnahmen sind
regelmäßige Bettzeiten, kein Alkohol am Abend beziehungsweise nicht zu viel
Alkohol. Das älteste Schlafmittel der Alkohol, aber auch das schlechteste.
Keine zu schwere Mahlzeiten, keine Dinge im Bett. Man sollte jetzt im Bett
kein Fernsehen schauen et cetera, man sollte geregelte Bettzeiten haben, so
diese allgemeinen Dinge. Sprecherin: Das klingt nicht sehr originell. Doch
selbst Seminarteilnehmer, die eigentlich alles für ihren Schlaf tun, machen
hier noch Fehler. O-Ton 26 - Herbert
Geiger: Ich trinke gerne
Alkohol vor dem Zu-Bett-Gehen, das gestehe ich. Und ich weiß und das will ich
auch mitnehmen, dass ich das einschränke oder gar ganz weglasse. Sprecherin: Für Patienten mit schweren
Schlafproblemen reicht das allerdings noch nicht. Ihnen hilft die Kombination
von zwei speziellen Techniken. Die Erste ist die Stimuluskontrolle. Das Bett
soll ein Stimulus werden, ein Reiz, der ganz automatisch mit Schlaf
assoziiert wird. O-Ton 27 - Ralf
Binder: Es ist oft so, dass sich grad bei
chronisch Schlafgestörten das Bett auch so richtig zum Ort des Grübeln, des
Denkens, manchmal teilweise noch nicht einmal unangenehme Dinge, das ist bei
manchen so verselbstständigt, die können ihr Gehirn gar nicht mehr
kontrollieren. Die gehen ins Bett und zack löst es das aus. Und da will man
wegkommen davon. Also wer nicht abschalten kann, aus dem Bett raus, setzt
sich irgendwohin. da gibt es auch so einen Grübelstuhl. Wenn man nicht
abschalten kann, dann setzt man sich und schreibt irgendwas nieder, wenn es
nicht anders geht. Was auch oft dann schon als erlösend erlebt wird. Sprecherin: So wird der Stuhl mit den Sorgen
assoziiert und nicht das Bett. Erst wenn der Patient das Gefühl hat, dass er
schlafen kann, darf er wieder ins Bett. Auch die zweite Methode setzt darauf,
die Zeit im Bett zu verkürzen. Die Vorgehensweise dieser Schlafrestriktion
ist ziemlich hart. O-Ton 28 - Ralf
Binder: Wenn einer sagt, er schläft fünf
Stunden, dann lassen wir den nur noch fünf Stunden ins Bett. Wenn der jetzt
vorher acht Stunden drin war und hatte fünf Stunden Schlaf zusammengekriegt
und hat jetzt fünf Stunden Bettzeit zur Verfügung, kriegt er ja keine fünf
Stunden Schlaf. Was passiert? Er ist natürlich wach, hat aber umso mehr
Schlafdruck in den nächsten Nächten und füllt dann diese Schlaffenster immer
weiter aus. Und wenn er dann bei 90 Prozent Schafzeit ist in diesem
Schlaffenster, wenn er die schlafend verbringt, subjektiv geschätzt immer
wieder, dann darf er das erhöhen. Sprecherin: Diese radikale Strategie stößt nicht
bei allen Teilnehmern auf Begeisterung. Thomas Bunse fürchtet, tagsüber so
müde zu sein, dass er sich nicht mehr zu seinem Sport aufraffen könnte. O-Ton 29 - Thomas
Bunse: Und ich sollte mich bewegen und
deswegen ist mir schon wichtig, dass ich in einen Gemütszustand komme, wo es
mir möglich ist, meinen Sport zu machen. Und so Schlafentzug würde ich jetzt
momentan mal so sehen, dass es mir alles andere dermaßen erschwert, rein,
rein mental, dass ich, das wäre wahrscheinlich ein sehr, ein sehr letztes
Mittel. Da bin jetzt ganz ehrlich. Sprecherin: Doch es kann sich durchaus lohnen, ein
paar harte Wochen ohne viel Schlaf auf sich zu nehmen. Das zeigt sich, wenn
Schlafforscher Riemann die Erfolge dieser verhaltenstherapeutischen Methoden
in Langzeitstudien mit denen von Schlafmitteln vergleicht. O-Ton 30 - Dieter
Riemann: Da ist vollkommen klar: Eine
medikamentöse Therapie wirkt, solange sie das Medikament einnehmen. Wenn Sie
es nach vier Wochen absetzen, ist man meist da, wo man vorher war. Die
Verhaltenstherapiedaten zeigen an, dass Menschen, die das gemacht haben
konsequent, nach sechs und zwölf Monaten noch eine deutliche
Schlafverbesserung erleben. Sprecherin: Für besonders schwere Schlafprobleme
bietet das Pfalzklinikum auch eine 19-tägige Behandlung an. Die Techniken
sind die gleichen wie beim Schlafseminar, aber sie können intensiver geübt
werden. Diesen Klinikaufenthalt bezahlen die Krankenkassen, zum Seminar geben
sie einen Zuschuss. Wer seine Schlafprobleme einfach nicht los wird, kann
sich auch an eines der gut 300 schlafmedizinischen Zentren in Deutschland
wenden, eine Liste findet sich auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft
für Schlafforschung und Schlafmedizin. Oft ist so viel Aufwand aber gar nicht
nötig. Schon fünfstündige psychologische Programme verbessern den Schlaf bei
den Meisten nachhaltig, wie mehrere Studien gezeigt haben. Allerdings ist
psychologische Hilfe bei Schlafproblemen schwer zu finden. O-Ton 31 - Dieter
Riemann: Natürlich ist das Verschreiben eines
Schlafmittels durch jeden Hausarzt möglich. Und da gibt es doch eine ganze
Menge. Da gibt es definitiv mehr, als wie es jetzt Verhaltenstherapeuten
gibt, die vielleicht auch noch vom Schlaf eine Ahnung haben. Sprecherin: Riemanns Arbeitsgruppe hat darum die
„Freiburger Schlafschule" gegründet. Sie hat bereits bei der örtlichen
Volkshochschule ein Blockseminar angeboten. Dort erfuhren Betroffene, was sie
gegen ihre Schlafprobleme tun können. Veranstaltungen in Schulen und
Betrieben sollen folgen. Noch weit mehr Menschen könnten mit einem InternetAngebot
erreicht werden, das Riemanns Team ebenfalls vorbereitet. O-Ton 32 - Dieter
Riemann: Die erste Stufe wäre so etwas wie ein
Selbsthilfeprogramm. Da gibt man von mir aus sein Schlaftagebuch ein. Und da
gibt es einen Algorithmus, der sagt dann, das ist ja furchtbar unregelmäßig.
Und dann kann man programmieren, dass man einen Ratschlag bekommt. Sehr genau
auf die Daten bezogen, die man eingegeben hat. Dass das Programm dann sagt:
Nächste Woche gehe doch bitte erst um zwölf ins Bett und steh' um sieben Uhr
auf. Sprecherin: In den USA und den Niederlanden wurden
solche Online-Programme bereits erfolgreich getestet. In Deutschland gibt es
bislang nur die rar gesäten Vor-Ort-Angebote wie das Schlafseminar des
Pfalzklinikums. Peter Voigt hat in den zwei Tagen gelernt, wie er in Zukunft
erholsamen Schlaf findet. O-Ton 33 - Peter
Voigt: Ich versuche mir gute Gedanken zu
machen und dann kommt der Schlaf von selbst. Einfach erzählt, aber um diese
Einstellung zu bekommen, wenn man in dieser Krise drin ist, ist ein Weg, ein
Lernprozess, den man macht, der nicht von heute auf morgen beendet ist. Das
Ende ist offen.
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