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Grüne Fassaden
 Die Pyrrhussiege der Öko-Manager
von Jochen Paulus
(ÖKO-TEST 2/91)

Ein Wort zur Umwelt gehört neuerdings in jede Unternehmer-Rede. Aber in der Praxis verfahren die Manager meist nach dem Prinzip: Teilprobleme lösen, das Hauptproblem verdrängen, der Kundschaft mitteilen, daß sie nun beruhigt weiter kaufen kann.

Umweltschutz à la Topmanagment: Die Zeitschrift Capital kürt zusammen mit den Naturschützern vom WWF (World Wide Fund for Nature) die ,,Ökomanager des Jahres". Dazu lädt sie ausgerechnet in den Airport Club des Frankfurter Flughafens. Im wenig naturverbundenen Ambiente des Konferenzsaals erinnern höchstens noch die fahrbahren Hydrokultur-Pflanzen an die Umwelt, zu deren Rettung sich die hierher entsandten Vertreter von der Commerzbank bis zur Polaroid GmbH versammelt haben. Die Redner jedoch lassen sich in ihren Bekenntnissen zur Umwelt von keinem Grünen übertreffen. Man müsse ,,Visionen haben", verkündet Tengelmanns geehrter Konzernchef Erivan Haub.

 Rhetorisch perfekt in gekonnter Bescheidenheit ist die Festrede des IBM-Vorsitzenden Hans-Olaf Henkel. Wehmütig erinnert er sich, wie er als Siebenjähriger noch in der Elbe gebadet hat, und kommt darüber zur Frage an jeden Einzelnen: ,,Habe ich denn selbst genug getan" für die Umwelt? Seine Computerfirma hat schon eine Menge getan, sie unterstützt sogar - Henkel darf ,,ein kleines Geheimnis verraten" - seit drei Jahren ein Projekt, das die Elbe wieder sauber machen soll. Und der oberste Manager verwendet neuerdings Recycling-Papier, dank eines Kinderchors. Der sang in Böblingen bei Henkels vorigen Rede zum Thema. Hinterher habe ihn eine Kleine auf sein weißes Manuskript aufmerksam gemacht, gesteht Henkel, und - Stimme leicht gesenkt - ,,ich hab's gelernt".

Haben die Wirtschaftsgewaltigen ihre Öko-Lektion wirklich gelernt? Ihre Presseabteilungen jedenfalls wissen eine Menge guter Taten zu berichten.

Die HAWEGE-Kette warf die Plastiktüten aus ihren Supermärkten und bietet nun Umwelt-Einkaufstaschen aus Naturfasern an. Ihr Markt in Fulda bekam ein Gewächshaus angebaut, um die Sonnenenergie zu nutzen. Es spart die Hälfte der Heizkosten ein.

Die Farbenfirma Contilac hat sich etwas einfallen lassen, was ihr den ersten ,,Umweltschutzpreis der deutschen Industrie" eintrug: Blick durch das Weltall, Sphärenmusik, Planeten fliegen vorbei, einer wird größer. ,,Die Erde", sagt der Sprecher des Videofilms, ,,wie gehen wir mit dieser Welt um?" Schlecht, aber es besteht Hoffnung. Contilac hat den Mehrwegeimer für Lack erfunden. Über 20 000 Tonnen an Wegwerfeimer vergeudeter Kunststoff könnten damit gespart werden.

Hertie wirbt mit Slogans à la ,,Was hat das WC mit dem Tannenwald zu tun?" für Recyling-Klopapier und andere umweltverträglichere Ware. Ramada will ,,die umweltfreundliche Hotelkette werden". Und Hering-Bau errichtet Beton-Gebäude, ,,die sich harmonisch in die Umwelt einpassen".

Wer sich als Chef noch nicht selbst auf den Öko-Trip begeben hat, dem weisen seine Verbandsoberen den rechten Weg. ,,Jeder Unternehmer muß durch sein individuelles unternehmerisches Handeln dazu beitragen", beschwört Verbandsvorsitzender Helmut Nanz die Lebensmittel-Händler, ,,daß Leben in Zukunft nicht nur möglich, sondern lebenswert sein kann".

An Handreichungen für die Praxis fehlt es nicht. Die Ratschläge im Band ,,Das umweltbewußte Unternehmen" reichen von dem Vorschlag, das Öko-Institut einzuschalten, um sich über ungefährliche Rohmaterialien zu informieren, bis zum Tip, zwecks Weckung des Umweltbewußtseins der Belegschaft einen Wettbewerb ,,Mitarbeiter-Kinder malen Tierbabies" auszuschreiben.

Auf Bosse, bei denen Appelle an die Moral versagen, warten Warnungen vor empfindlichen Konsequenzen mangelnder Öko-Sensibilität. Auf dem Berliner Universitätsseminar der Wirtschaft trat Werner Deckers von Boehringer Ingelheim auf, um zu illustrieren, wie man es nicht machen soll. Die Behörden hatten im Juni 1984 das Hamburger Werk der Firma stillgelegt, wegen extrem hoher Dioxinwerte. Als einzigen Fehler von Boehringer erkannte Deckers allerdings das Versäumnis der Firma, nicht rechtzeitig genug informiert zu haben, daß Dioxin längst nicht so gefährlich ist, wie die sensationsgierigen Presse behauptete.

Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie kann der Ökologie inzwischen positive Seiten abgewinnen: ,,Umweltschutz wird zum Wettbewerbsvorteil" verkündet er gern und freut sich über die Verkaufserfolge der Produkte mit dem Blauen Engel.

Die Aussicht auf Gewinn hilft regelmäßig erheblich bei der Verbreitung ökologischen Gedankenguts. Das weiß auch der Bundesdeutsche Arbeitskreis für umweltbewußtes Managment (BAUM). Ein Pharma-Unternehmen spart durch besseren Einsatz von Energie 1,3 Millionen Mark im Jahr, informiert BAUM in einer Broschüre, eine Heimwerkermarkt-Kette 50 000 Mark durch die Umstellung auf Umweltschutzpapier. ,,Nahezu jeder Betrieb kann Geld sparen und oft sogar mehr Geld verdienen durch umweltbewußte Unternehmensführung", resümiert ,,Die Geschäftsidee", das Fachblatt fürs schnelle Geldverdienen.

Einzelaktionen, womöglich noch profitable, sagen wenig über die ökologische Aufgeklärtheit der Wirtschaft im Ganzen aus. Auch der Erkenntnisgewinn einer Befragung von 600 Unternehmen für den Modellversuch ,,Umweltorientierte Unternehmensführung" blieb gering, trotz der auf den ersten Blick erfreulichen Ergebnisse. Zwar sehen fast alle Firmen Umweltschutz als Aufgabe der Geschäftsführung an. 70 Prozent waren der Meinung, daß er ,,zur Sicherung ihres Produktionsstandorts unbedingt nötig ist". Offen bleibt aber, was die Manager sich beim Ausfüllen des Fragebogens unter Umweltschutz vorstellten.

Nach einer anderen Umfrage, diesmal von der Deutschen BP, finden nur 56 Prozent der deutschen Umweltbeauftragten ihre Empfehlungen in der Regel von der Chefetage berücksichtigt. Und eine dritte Studie, vom Wissenschaftszentrum Berlin, bescheinigt den Führungskräften ein deutlich geringeres Umweltbewußtsein als dem Rest der Bevölkerung.

Die Chefs bevorzugen wolkige Bekenntnisse, wie sie in der ,,Tutzinger Erklärung" zusammengefaßt sind. Diese zehn Gebote entstanden in der dortigen Evangelischen Akademie. Das neunte liest sich beispielsweise: ,,Umweltorientierte Unternehmenspolitik ist Teil der unternehmerischen Eigenverantwortlichkeit in der sozialen Marktwirtschaft".

Das amerikanische Gegenstück, die Valdez-Prinzipien, veranschaulicht, wie Leute, die es ernst meinen, eine solche Verpflichtung formulieren. Darin versprechen Unternehmen etwa, sich einer unabhängigen Prüfung ihrer Umweltfreundlichkeit zu stellen. Eine solche jährliche umfassende Kontrolle von außen - so wie sich heute Wirtschafsprüfer die Bilanzen vornehmen - bringt mehr als schöne Worte.

Gibt es Unternehmen, die bei einer derartigen Prüfung gut abschneiden würden? Die sich durchweg bewußt verhalten? Nur ökologisch Unbedenkliches herstellen? Dabei ohne große Umweltbelastung erzeugte Rohstoffe einsetzen? Müll und Abwässer auf ein Minimum reduzieren?

Konsequent umweltbewußte Firmen sind noch äußerst rar. Das merkt etwa Andreas Fußer, beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zuständig für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. An Anfragen fehlt es nicht. Die allermeisten Kooperations-Willigen haben aber nur eine ökologische ,,Fassadenbegrünung" vorzuweisen, kleine Fortschritte, ,,die nicht an den Kern des Unternehmens herangehen". Einen völlig konsequenten Partner hat der BUND ,,noch nicht gefunden", es sei denn, in der Branche gibt es von vornherein keine Probleme, etwa bei einem Mineralwasser-Brunnen.

Der Mangel hat einen Grund. Einen bundesdeutschen Normalbetrieb auf öko umzutrimmen, ist ein mühseliges Unterfangen. Das erfahren selbst gutwillige Firmen. Etwa Neff in Waldenbuch bei Stuttgart, eine Metallfabrik, die Professor Rudi Kurz, beim BUND Sprecher des Arbeitskreises Wirtschaft und Finanzen, ,,vorbildlich" nennt.

Knapp 200 Leute fertigen bei Neff Gewinde-Spindeln, die vom drehbaren Klavierstuhl bis zum Industrieroboter eingesetzt werden können. 1972 übernahm der noch keine 30 Jahre alte Karl Neff das damals noch weit kleinere Unternehmen von seinem Großvater und fing an, mit dem Umweltschutz ernst zu machen.

Der vor zwei Jahren bezogene Neubau erlaubt die Rückgewinnung der Wärme, die bei der Metallbearbeitung entsteht. Das durch die Maschinen zirkulierende Öl gibt seine Wärme im Keller an die Heizung ab und drückt so den Energieverbrauch auf die Hälfte.

Zwecks Mülltrennung stehen im ganzen Betrieb separate Abfalleimer, für Papier, Karton, Polyethylen-Folie, Metall und Sondermüll. Damit irgendwann auch die eigenen Produkte recyclet werden können, bekommen ihre Teile die Materialbezeichnungen aufgedruckt. Und als der Lieferant des alten Kaffee-Automaten keine Möglichkeit sah, auf Plastikbecher zu verzichten, schaffte Neff einen neuen Automaten und zwei Porzellantassen für jeden Mitarbeiter an.

Chef Karl Neff hat inzwischen drei Mitarbeiter zur Ökologie abgeordnet. Den temperamentvollen Italiener Giovanni Nisi, Leiter der Gewinde-Schneiderei, ernannte er zum Umweltbeauftragten. Ursula Schorr, die mal Englisch studierte und jetzt im Sekretariat arbeitet, avancierte zur Umweltberaterin, und Peter Frank, Studienschwerpunkt Musik, ist für die ,,umweltorientierte Materialwirtschaft" zuständig. Was den Dreien an Vorbildung fehlt, machen sie durch Eifer wett. Den brauchen sie auch, denn Probleme gibt es ständig.

Die als ,,Öko-Rasenmäher" angeschafften Ziegen Karoline (nach dem Chef getauft) und Josefine fressen lieber Büsche oder vorgemähtes Gras. Die Belegschaft befürchet, die Umweltschutz-Investitionen könnten auf Kosten ihrer Gewinn-Beteiligung gehen. Die Kundschaft protestierte, als bestimmte Teile nicht mehr in Folien ausgeliefert wurden, weil sie die Stücke unbedingt im Freien lagern will.

Beim Rundgang durch die Firma entdeckt Umwelt-Spezialist Peter Frank Schaumverpackungen und erkundigt sich nach dem Material. Polyurethan erfährt er zu seinem Mißvergnügen, aber immerhin ohne FCKW aufgeschäumt. Umweltberaterin Ursula Schorr hat erreicht, daß der Bus am Industriegebiet, in dem die Firma liegt, nicht mehr vorbeibraust, sondern hält. Doch sie ist die einzige aus der Belegschaft, die regelmäßig mitfährt.

Von solchen Pannen läßt sich das Umwelt-Team nicht entmutigen. Insgesamt reagieren Kunden und Mitarbeiter positiv auf das Engagement. Die eigentliche Arbeit beginnt ja gerade erst. Peter Frank macht sich an eine Art Öko-Bilanz und soll nach und nach sämtliches Material, mit dem Neff hantiert, auf seine Umweltverträglichkeit abklopfen.

An einem ähnlichen Projekt sitzt zur Zeit eine Arbeitsgruppe bei der Strumpfhosen-Firma Kunert in Immenstadt. Wie es um die gefahrlose Beseitigung des Endprodukts steht, sei bereits klar, meint Pressesprecher Gunther le Maire, dank einem ,,Großversuch im Verbrennen von Strümpfen". Als ein Werk abbrannte, gab es zwar Gasalarm für die Umgebung, aber die Behörden hätten mit ihren Instrumenten nichts Giftiges in der Luft nachweisen können.

Normalerweise geht das Team die Probleme jedoch systematischer an. Da gibt es Listen mit dem, was reinkommt ins Werk, dem Input. Und es gibt welche für das was rausgeht, den Output. Dort sind jeweils die wichtigsten Stoffe für jeden Bereich verzeichnet, samt den Mengen, in denen sie anfallen. Anhand dieser Listen spürt die Gruppe dann eventuellen Öko-Belastungen nach.

Als erste Tat fuhr die Arbeitsgruppe Ökologie nach Freiburg zum Hauptlieferanten des von Kunert überwiegend verwendeten Garns aus Polyamid und nahm dessen Experten ins Gebet. Vor allem interessierte sich die Gruppe für das Titandioxid, mit dessen Hilfe der Kunstfaser unerwünschter Glanz genommen wird. Die Kunert-Leute wußten, daß bei der Herstellung von Titandioxid Dünnsäure anfällt, die früher in der Nordsee verklappt wurde. Zu ihrer Beruhigung erfuhren sie, daß der Lieferant seine Dünnsäure in einem geschlossenen Kreislauf verwendet.

Weniger zufriedenstellend als bei den Fasern gestaltet sich die Lage bei den Farben. Die rote war früher krebserregend, die besonders beliebte schwarze belastet die Abwässer mit Chrom ,,und Grün, das zieht keine Frau an", lästert Sprecher le Maire. Abhilfe verspricht ein anderes Schwarz, das aber nur ein Teil der Färbemaschinen verkraftet.

So kämpft sich die Arbeitsgruppe allmählich durch das Sammelsurium von Stoffen, Teilen und Ressourcen, die irgendwo im Betrieb verwendet werden oder entstehen. Von der Wickelkarte zum Hakenetikett, vom Ölverbrauch zur Seewasserentnahme, vom unlackierten Bleistift zum Taschenrechner mit Solarzelle.

80 000 Artikel müßte allein die vollständige Input-Liste erfassen, stöhnt Umweltbeauftragter Ulrich Langenhorst über die ,,Sisyphos-Arbeit, das alles zu durchforsten".

Wenn Kunert die Erkenntnisse schließlich gewonnen hat, bleibt immer noch die Frage nach den Konsequenzen. Nicht recht glücklich ist die Firma beispielsweise mit dem Garn Lycra, weil es sich nicht recyclen läßt. Doch die Frauen lieben das Material, da es die Paßform erhöht, und ,,wenn der Verbraucher schreit", meint le Maire, ,,macht man die halt". Selten lassen sich die Probleme so elegant loswerden wie überzählige Strümpfe. Dafür gibt es eine Menge dankbarer Abnehmer, einer verwendet sie als Wurstpelle.

Immerhin, wer der Umwelt was Gutes tut, kann Pluspunkte bei seinen Geschäftsfreunden verbuchen. So schlug bei Kunert ,,die Geburtsstunde der ökologischen Bewegung", als 1979 alle Welt die neue Wärmerückgewinnungs-Anlage besichtigen wollte. Selbst die für die Werbung in Italien Zuständigen schickten wegen der begeisterten Resonanz dort ein Telegramm. Die Händler bekommen das Gefühl, ,,ihr Lieferant ist modern und clever", erläutert le Maire.

Ökologie in der Werbung kommt an, das stellen auch andere fest. Bei einem wissenschaftlichen Vergleich verschiedener Werbespots lag der Umweltstreifen für Ariel ultra weit vorn. Die Forscher freuten sich über den ,,hohen Impact" (Einprägsamkeit) und die enorme Kaufwilligkeit (42 Prozent) der Versuchspersonen.

Solche Ergebnisse sind kein Zufall. Die Marktforscher des Nürnberger Instituts GfK hielten in einer Studie fest: 62 Prozent der 23 Millionen bundesdeutscher Haushalte zählen mittlerweile zur Gruppe der ,,Umweltbewußten". Die Forscher haben auch eine Erklärung für diesen Trend. Gerade weil die Deutschen zumeist im Wohlstand aufwuchsen, leisten sie sich solche ,,postmateriellen Werte" - zusammen mit anderen Bedürfnissen, die sich eher unter ,,Luxus" zusammenfassen lassen. 56 Prozent sagen: ,,In meinem Haushalt werden viel weniger umweltschädliche Produkte verwendet als früher". Vier Jahre früher behaupteten das lediglich 21 Prozent.

Zumindest einige Teile des Marktes bekommen den neuen Trend zu spüren. Umweltbewußte Haushalte kaufen beispielsweise 42 Prozent weniger Weichspüler und 44 Prozent weniger Schaumbäder.

Wenn die Fortschrittlichen unter den Verbrauchern zugreifen, dann gezielt. Die <hk>Frosch</hk>-Reiniger aus Seife und Essig etwa schafften dank ihres Öko-Image auf dem ,,hart umkämpften Haushaltsreiniger-Markt" den zweiten Platz hinter Meister Propper, was die Lebensmittelzeitung an das Märchen vom Froschkönig erinnerte. Und diese Kunden bevorzugen Läden mit Öko-Image. Der GfK-Studie zufolge kaufen umweltbewußte Haushalte verglichen mit anderen 21 Prozent mehr bei Tengelmann und entsprechend weniger bei Aldi und ähnlichen Billigläden.

Kein Wunder, daß der Handel auf Öko setzt. Tengelmann profilierte sich mit dem Verzicht auf Froschschenkel sowie Schildkrötensuppen und warf bereits 1987 phosphathaltige Waschmittel aus den Märkten. Solche Aktionen verfehlen ihre Wirkung auf die Hersteller nicht. Als Tengelmann Mitte 1988 FCKW-Sprays verbannte, machte der Handelsriese eine interessante Erfahrung: ,,Ein internationaler Anbieter von Haarspray, der zunächst glaubte, nicht betroffen zu sein, war sogar noch in der Lage, seine Produktion innerhalb von sechs Wochen auf Butan-Gas umzustellen", berichtet Dr. Hans Christian Bremme von Tengelmann.

Wer auf Druck einer Kette erst mal umweltfreundliche Produkte herstellt, bietet sie dann natürlich auch den anderen Ketten an. So entsteht der ,,ecology pull": Eine Gruppe von Verbrauchern zwingt zunächst eine Handelskette zu besseren Waren, nach einiger Zeit werden sie überall angeboten und auch von gleichgültigen Verbrauchern gekauft.

Während der Handel den Schwarzen Peter an seine Lieferanten weiterschieben kann, müssen die sich etwas einfallen lassen. 1988 hat die Industrie laut Statistischem Bundesamt 1988 acht Milliarden Mark in den Umweltschutz investiert, vier Jahre zuvor war es noch nicht einmal die Hälfte. Aber reicht das?

Beispiel Chemie: Allein die BASF hat 1989 1,2 Milliarden Mark für den Umweltschutz ausgegeben. Das Geld geht in aufwendige Abwassersysteme mit Kläranlagen, in fabrikgroße Öfen für die Rückstandsverbrennung, in Filter für die Abgasreinigung. Der Aufwand lohnt sich, meint der Chemiekonzern stolz und präsentiert Kurven, auf denen der eigene Schadstoffausstoß nach unten geht.

Die anderen Firmen waren auch nicht faul. Stolz legt der Verband der Chemischen Industrie (VCI) eine Bilanz vor: In den vergangenen 25 Jahren verdreifachte sich die Produktion, die Luftbelastung durch die Branche aber ging um 70 Prozent zurück, die des Abwassers sogar um 90 Prozent.

In der Umweltbewegung haben sich diese Erfolge noch nicht herumgesprochen, weshalb Nikolaus Geiler, Wasserspezialist des Bundesverbands Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) ihr ein ,,zunehmend falsches Bewußtsein" bescheinigt. Auch Andreas Ahrens vom Hamburger Ökopol-Institut bestätigt, daß die Chemische Industrie ,,schlechterdings wegen ihrer Abwasseremissionen kaum noch anzugreifen ist".

Ahrens steht keineswegs im Lager der Chemischen Industrie, er hat vielmehr für Greenpeace die Umweltbilanz des VCI analysiert. Dabei fand er entscheidende Schwächen in der Argumentation.

Was die Industrie an Schadstoffen aus Abwasser und Abgasen holt, fällt eben woanders an: ,,Der Preis von sauberer Luft und sauberem Wasser sind Abfallberge", kritisiert Ahrens. Wirklich gelöst würde das Problem nur, wenn die Schadstoffe ganz vermieden würden. Das allerdings würde oft bedeuten, die komplette Produktion umzustellen oder ganze Zweige davon umzustellen. Zu einem solchen ,,integrierten Umweltschutz" zeigt die Industrie jedoch wenig Neigung, Ahrens sieht ihn bisher ,,nur in Ansätzen".

Mindestens so gravierend ist die zweite Hauptschwierigkeit: Nicht die unerwünschten Abfälle der Chemischen Industrie sind das Problem, sondern ihre bewußt hergestellten Erzeugnisse. Das weitaus meiste Gift verläßt die Fabrik nicht durch Abwasserrohre oder Schornsteine, sondern durch den Haupteingang - als sogenanntes Pflanzenschutzmittel beispielsweise. Am Ende landet es aber doch im Wasser oder in der Luft. ,,Die größte Emission der Chemieindustrie sind ihre Produkte", spottet Nikolaus Geiler vom BBU.

Allen schönen Reden zum Trotz weigert sich die Industrie auch, auf das längst verrufene PVC zu verzichten. Zwecks Beruhigung der Öffentlichkeit will sie sich ums Recycling kümmern. Ein ,,Popanz", sagt Ahrens. Selbst wenn, wie angestrebt, in 15 Jahren eine Recycling-Quote von 30 Prozent erreicht würde, wäre dieser Erfolg ,,schon im vorhinein aufgefressen". Denn jedes Jahr sollen zwei Prozent mehr PVC in den Markt gedrückt werden.

Vor dem gleichen Dilemma steht die Auto-Branche. Sie propagiert Umweltschutz und produziert den Umweltfeind par excellence.

Beispiel Opel: Aus ihrer Marktforschung wissen die Rüsselsheimer, daß die Käufer von morgen Umweltfreundlichkeit für das zweitwichtigste Automerkmal halten, gleich nach der Sicherheit. Also betonen sie ihre Vorreiter-Rolle bei der Einführung des Katalysators in Deutschland. Umweltbeauftragter Hans-Joachim Kinzel verweist auf die 60 Millionen für Umweltschutzmaßnahmen beim Bau der neuen Lackiererei in Bochum. Sie kommt bei Metallic-Lacken mit 12 Prozent bedenklichen organischen Lösemitteln aus statt den üblichen 80 Prozent. Statt bis zu 500 Gramm des giftigen Schwermetalls Cadmium stecken in den neuen Wagen weniger als zwei.

Auch zum Verbrauch und zu den Abgasen ihrer Autos führen die Opel-Leute Statistiken. Die Ingenieure freuen sich, daß ihre neuen Modelle im Schnitt nur noch 7,5 Liter Sprit pro 100 Kilometer schlucken, statt beinahe zehn wie noch 1978. Entsprechend ging der Ausstoß des Kohlendioxids zurück, dieses Gas verursacht den Treibhauseffekt.

Aber auch hier gilt: Diese Einsparungen werden aufgefressen, wei mehr Autos verkauft werden, die dann weiter fahren und schneller rasen. Karlheinz Breitwieser, Leiter der Motorenentwicklung, gibt zu, es wäre ,,töricht zu sagen, die Opelflotte braucht weniger Kraftstoff als vorher". Genau das suggeriert allerdings die Werbeabteilung des Hauses.

Die Industrie neigt immer wieder zur gleichen Strategie: Sie verbessert mit beachtlichem Aufwand und vordergründigem Erfolg Einzelprobleme, aber der Kern bleibt unberührt. So versucht sie jedoch, der Öffentlichkeit weiszumachen, die bislang bedauernswerterweise übersehenen Umweltprobleme stünden kurz vor der Lösung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten also ruhigen Gewissens weiter konsumieren, bräuchten nicht einmal vor dem Kauf eines schnellen Autos zurückschrecken, beschwerliches Umdenken sei nicht nötig.

Wer seine eigenen Anstrengungen, die öffentliche Meinung zu gewinnen, für nicht überzeugend genug hält, der wird zum Öko-Sponsor. Statt einem fetten Werbevertrag für Boris Becker rückt er Geld für die Natur heraus und hofft, daß sich sein Ansehen dadurch verbessert. Der Waschmittel-Konzern Procter & Gamble stiftet 50 000 Mark für neue Bäume im Westerwald, Ministerpräsident Bernhard Vogel schwang bei der Pflanzaktion symbolisch den Spaten. Die Lufthansa sponsort die Stiftung Europäisches Naturerbe, die sich in einem spanischen Naturpark um ihren Wappenvogel Kranich kümmert - die Unterstützung für die Helfer gibt's ,,nicht zum geringsten Teil in Flugtickets" wie die ,,Zeit" boshaft anmerkte. Brillen-Fürst Fielmann zahlt eine Million im Jahr beispielsweise für Biobauern - aus dem PR-Etat. ,,Und wenn's denn unbedingt sein muß, werden auch noch ein paar Mark für die Rettung des Sumpfhuhnes locker gemacht", lästert Fritz Lietsch von der Altop GmbH, die das Alternative Branchenbuch herausgibt.

Rudolf Schreiber, wegen seiner ökologisch orientierten Unternehmensberatung bekannt als ,,grüner Rudi", verkündete kürzlich in der Werber-Zeitschrift Horizont: ,,Sponsering ist Pipifax und eine vorübergehende Erscheinung, die nur ein Schritt in die richtige Richtung sein kann."

Oder in die falsche. Ein Manager der Mobil Oil plauderte einmal die Motive für die Sponsering-Aktivitäten seiner Firma aus: ,,Diese Programme schaffen genügend öffentliche Akzeptanz, so daß wir uns erlauben können, bei substantiellen Angelegenheiten hart zu bleiben".

Auch wenn derartiger Zynismus die Ausnahme sein sollte, die Chefetagen werden nie die treibende Kraft im Umweltschutz werden. Allen feierlichen Erklärungen zum Trotz entscheiden Manager nun mal nach Gesichtspunkten von Gewinn und Verlust. Wenn der Unternehmer Georg Winter mit dem Buch ,,Das umweltbewußte Unternehmen" seine Standesgenossen aufruft, nicht nur rentable Maßnahmen zu ergreifen, ehrt ihn das, aber mehr als ,,Gewissensruhe, Familienfriede und soziale Achtung" kann er nicht versprechen. Die Aktionärs-Versammlungen, vor denen Firmenvorstände bestehen müssen, legen da ganz andere Maßstäbe an. Das weiß Winter natürlich, deshalb versieht er kostensparende Umweltschutzmaßnahmen in seinen Vorschlagslisten mit einem Sternchen.

Das weiß auch Klaus Töpfer und er erinnert daran ausgerechnet bei der Kür der Capital-Öko-Manager, wo alle das hohe Lied der sozialen Verantwortung singen. Es wäre ,,blauäugig", spottet der Umweltminister, von Unternehmern zu erwarten, daß sie die Umwelt nicht schädigen, wenn das rein betriebswirtschaftlich durchaus Sinn macht.


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