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Ein Wort
zur Umwelt gehört neuerdings in jede Unternehmer-Rede. Aber in der Praxis
verfahren die Manager meist nach dem Prinzip: Teilprobleme lösen, das
Hauptproblem verdrängen, der Kundschaft mitteilen, daß sie nun beruhigt
weiter kaufen kann. Umweltschutz
à la Topmanagment: Die Zeitschrift Capital kürt zusammen mit den
Naturschützern vom WWF (World Wide Fund for Nature) die ,,Ökomanager des
Jahres". Dazu lädt sie ausgerechnet in den Airport Club des Frankfurter
Flughafens. Im wenig naturverbundenen Ambiente des Konferenzsaals erinnern
höchstens noch die fahrbahren Hydrokultur-Pflanzen an die Umwelt, zu deren
Rettung sich die hierher entsandten Vertreter von der Commerzbank bis zur
Polaroid GmbH versammelt haben. Die Redner jedoch lassen sich in ihren
Bekenntnissen zur Umwelt von keinem Grünen übertreffen. Man müsse ,,Visionen
haben", verkündet Tengelmanns geehrter Konzernchef Erivan Haub. Rhetorisch perfekt in gekonnter
Bescheidenheit ist die Festrede des IBM-Vorsitzenden Hans-Olaf Henkel.
Wehmütig erinnert er sich, wie er als Siebenjähriger noch in der Elbe gebadet
hat, und kommt darüber zur Frage an jeden Einzelnen: ,,Habe ich denn selbst
genug getan" für die Umwelt? Seine Computerfirma hat schon eine Menge
getan, sie unterstützt sogar - Henkel darf ,,ein kleines Geheimnis
verraten" - seit drei Jahren ein Projekt, das die Elbe wieder sauber
machen soll. Und der oberste Manager verwendet neuerdings Recycling-Papier,
dank eines Kinderchors. Der sang in Böblingen bei Henkels vorigen Rede zum
Thema. Hinterher habe ihn eine Kleine auf sein weißes Manuskript aufmerksam
gemacht, gesteht Henkel, und - Stimme leicht gesenkt - ,,ich hab's
gelernt". Haben
die Wirtschaftsgewaltigen ihre Öko-Lektion wirklich gelernt? Ihre
Presseabteilungen jedenfalls wissen eine Menge guter Taten zu berichten. Die
HAWEGE-Kette warf die Plastiktüten aus ihren Supermärkten und bietet nun
Umwelt-Einkaufstaschen aus Naturfasern an. Ihr Markt in Fulda bekam ein
Gewächshaus angebaut, um die Sonnenenergie zu nutzen. Es spart die Hälfte der
Heizkosten ein. Die
Farbenfirma Contilac hat sich etwas einfallen lassen, was ihr den ersten
,,Umweltschutzpreis der deutschen Industrie" eintrug: Blick durch das
Weltall, Sphärenmusik, Planeten fliegen vorbei, einer wird größer. ,,Die
Erde", sagt der Sprecher des Videofilms, ,,wie gehen wir mit dieser Welt
um?" Schlecht, aber es besteht Hoffnung. Contilac hat den Mehrwegeimer
für Lack erfunden. Über 20 000 Tonnen an Wegwerfeimer vergeudeter Kunststoff
könnten damit gespart werden. Hertie
wirbt mit Slogans à la ,,Was hat das WC mit dem Tannenwald zu tun?" für
Recyling-Klopapier und andere umweltverträglichere Ware. Ramada will ,,die
umweltfreundliche Hotelkette werden". Und Hering-Bau errichtet
Beton-Gebäude, ,,die sich harmonisch in die Umwelt einpassen". Wer
sich als Chef noch nicht selbst auf den Öko-Trip begeben hat, dem weisen
seine Verbandsoberen den rechten Weg. ,,Jeder Unternehmer muß durch sein
individuelles unternehmerisches Handeln dazu beitragen", beschwört
Verbandsvorsitzender Helmut Nanz die Lebensmittel-Händler, ,,daß Leben in
Zukunft nicht nur möglich, sondern lebenswert sein kann". An
Handreichungen für die Praxis fehlt es nicht. Die Ratschläge im Band ,,Das
umweltbewußte Unternehmen" reichen von dem Vorschlag, das Öko-Institut
einzuschalten, um sich über ungefährliche Rohmaterialien zu informieren, bis
zum Tip, zwecks Weckung des Umweltbewußtseins der Belegschaft einen
Wettbewerb ,,Mitarbeiter-Kinder malen Tierbabies" auszuschreiben. Auf
Bosse, bei denen Appelle an die Moral versagen, warten Warnungen vor
empfindlichen Konsequenzen mangelnder Öko-Sensibilität. Auf dem Berliner
Universitätsseminar der Wirtschaft trat Werner Deckers von Boehringer
Ingelheim auf, um zu illustrieren, wie man es nicht machen soll. Die Behörden
hatten im Juni 1984 das Hamburger Werk der Firma stillgelegt, wegen extrem
hoher Dioxinwerte. Als einzigen Fehler von Boehringer erkannte Deckers
allerdings das Versäumnis der Firma, nicht rechtzeitig genug informiert zu
haben, daß Dioxin längst nicht so gefährlich ist, wie die sensationsgierigen
Presse behauptete. Selbst
der Bundesverband der Deutschen Industrie kann der Ökologie inzwischen
positive Seiten abgewinnen: ,,Umweltschutz wird zum Wettbewerbsvorteil"
verkündet er gern und freut sich über die Verkaufserfolge der Produkte mit
dem Blauen Engel. Die
Aussicht auf Gewinn hilft regelmäßig erheblich bei der Verbreitung
ökologischen Gedankenguts. Das weiß auch der Bundesdeutsche Arbeitskreis für
umweltbewußtes Managment (BAUM). Ein Pharma-Unternehmen spart durch besseren
Einsatz von Energie 1,3 Millionen Mark im Jahr, informiert BAUM in einer
Broschüre, eine Heimwerkermarkt-Kette 50 000 Mark durch die Umstellung auf
Umweltschutzpapier. ,,Nahezu jeder Betrieb kann Geld sparen und oft sogar
mehr Geld verdienen durch umweltbewußte Unternehmensführung", resümiert
,,Die Geschäftsidee", das Fachblatt fürs schnelle Geldverdienen. Einzelaktionen,
womöglich noch profitable, sagen wenig über die ökologische Aufgeklärtheit
der Wirtschaft im Ganzen aus. Auch der Erkenntnisgewinn einer Befragung von
600 Unternehmen für den Modellversuch ,,Umweltorientierte
Unternehmensführung" blieb gering, trotz der auf den ersten Blick
erfreulichen Ergebnisse. Zwar sehen fast alle Firmen Umweltschutz als Aufgabe
der Geschäftsführung an. 70 Prozent waren der Meinung, daß er ,,zur Sicherung
ihres Produktionsstandorts unbedingt nötig ist". Offen bleibt aber, was
die Manager sich beim Ausfüllen des Fragebogens unter Umweltschutz
vorstellten. Nach
einer anderen Umfrage, diesmal von der Deutschen BP, finden nur 56 Prozent
der deutschen Umweltbeauftragten ihre Empfehlungen in der Regel von der
Chefetage berücksichtigt. Und eine dritte Studie, vom Wissenschaftszentrum
Berlin, bescheinigt den Führungskräften ein deutlich geringeres
Umweltbewußtsein als dem Rest der Bevölkerung. Die
Chefs bevorzugen wolkige Bekenntnisse, wie sie in der ,,Tutzinger
Erklärung" zusammengefaßt sind. Diese zehn Gebote entstanden in der
dortigen Evangelischen Akademie. Das neunte liest sich beispielsweise:
,,Umweltorientierte Unternehmenspolitik ist Teil der unternehmerischen
Eigenverantwortlichkeit in der sozialen Marktwirtschaft". Das
amerikanische Gegenstück, die Valdez-Prinzipien, veranschaulicht, wie Leute,
die es ernst meinen, eine solche Verpflichtung formulieren. Darin versprechen
Unternehmen etwa, sich einer unabhängigen Prüfung ihrer Umweltfreundlichkeit
zu stellen. Eine solche jährliche umfassende Kontrolle von außen - so wie
sich heute Wirtschafsprüfer die Bilanzen vornehmen - bringt mehr als schöne
Worte. Gibt es
Unternehmen, die bei einer derartigen Prüfung gut abschneiden würden? Die
sich durchweg bewußt verhalten? Nur ökologisch Unbedenkliches herstellen?
Dabei ohne große Umweltbelastung erzeugte Rohstoffe einsetzen? Müll und
Abwässer auf ein Minimum reduzieren? Konsequent
umweltbewußte Firmen sind noch äußerst rar. Das merkt etwa Andreas Fußer,
beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zuständig für die
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. An Anfragen fehlt es nicht. Die
allermeisten Kooperations-Willigen haben aber nur eine ökologische
,,Fassadenbegrünung" vorzuweisen, kleine Fortschritte, ,,die nicht an
den Kern des Unternehmens herangehen". Einen völlig konsequenten Partner
hat der BUND ,,noch nicht gefunden", es sei denn, in der Branche gibt es
von vornherein keine Probleme, etwa bei einem Mineralwasser-Brunnen. Der
Mangel hat einen Grund. Einen bundesdeutschen Normalbetrieb auf öko
umzutrimmen, ist ein mühseliges Unterfangen. Das erfahren selbst gutwillige
Firmen. Etwa Neff in Waldenbuch bei Stuttgart, eine Metallfabrik, die
Professor Rudi Kurz, beim BUND Sprecher des Arbeitskreises Wirtschaft und
Finanzen, ,,vorbildlich" nennt. Knapp 200
Leute fertigen bei Neff Gewinde-Spindeln, die vom drehbaren Klavierstuhl bis
zum Industrieroboter eingesetzt werden können. 1972 übernahm der noch keine
30 Jahre alte Karl Neff das damals noch weit kleinere Unternehmen von seinem
Großvater und fing an, mit dem Umweltschutz ernst zu machen. Der vor
zwei Jahren bezogene Neubau erlaubt die Rückgewinnung der Wärme, die bei der
Metallbearbeitung entsteht. Das durch die Maschinen zirkulierende Öl gibt
seine Wärme im Keller an die Heizung ab und drückt so den Energieverbrauch
auf die Hälfte. Zwecks
Mülltrennung stehen im ganzen Betrieb separate Abfalleimer, für Papier,
Karton, Polyethylen-Folie, Metall und Sondermüll. Damit irgendwann auch die
eigenen Produkte recyclet werden können, bekommen ihre Teile die Materialbezeichnungen
aufgedruckt. Und als der Lieferant des alten Kaffee-Automaten keine
Möglichkeit sah, auf Plastikbecher zu verzichten, schaffte Neff einen neuen
Automaten und zwei Porzellantassen für jeden Mitarbeiter an. Chef
Karl Neff hat inzwischen drei Mitarbeiter zur Ökologie abgeordnet. Den
temperamentvollen Italiener Giovanni Nisi, Leiter der Gewinde-Schneiderei,
ernannte er zum Umweltbeauftragten. Ursula Schorr, die mal Englisch studierte
und jetzt im Sekretariat arbeitet, avancierte zur Umweltberaterin, und Peter
Frank, Studienschwerpunkt Musik, ist für die ,,umweltorientierte
Materialwirtschaft" zuständig. Was den Dreien an Vorbildung fehlt,
machen sie durch Eifer wett. Den brauchen sie auch, denn Probleme gibt es
ständig. Die als
,,Öko-Rasenmäher" angeschafften Ziegen Karoline (nach dem Chef getauft)
und Josefine fressen lieber Büsche oder vorgemähtes Gras. Die Belegschaft
befürchet, die Umweltschutz-Investitionen könnten auf Kosten ihrer
Gewinn-Beteiligung gehen. Die Kundschaft protestierte, als bestimmte Teile
nicht mehr in Folien ausgeliefert wurden, weil sie die Stücke unbedingt im
Freien lagern will. Beim
Rundgang durch die Firma entdeckt Umwelt-Spezialist Peter Frank
Schaumverpackungen und erkundigt sich nach dem Material. Polyurethan erfährt
er zu seinem Mißvergnügen, aber immerhin ohne FCKW aufgeschäumt.
Umweltberaterin Ursula Schorr hat erreicht, daß der Bus am Industriegebiet,
in dem die Firma liegt, nicht mehr vorbeibraust, sondern hält. Doch sie ist
die einzige aus der Belegschaft, die regelmäßig mitfährt. Von
solchen Pannen läßt sich das Umwelt-Team nicht entmutigen. Insgesamt
reagieren Kunden und Mitarbeiter positiv auf das Engagement. Die eigentliche
Arbeit beginnt ja gerade erst. Peter Frank macht sich an eine Art Öko-Bilanz
und soll nach und nach sämtliches Material, mit dem Neff hantiert, auf seine
Umweltverträglichkeit abklopfen. An
einem ähnlichen Projekt sitzt zur Zeit eine Arbeitsgruppe bei der
Strumpfhosen-Firma Kunert in Immenstadt. Wie es um die gefahrlose Beseitigung
des Endprodukts steht, sei bereits klar, meint Pressesprecher Gunther le
Maire, dank einem ,,Großversuch im Verbrennen von Strümpfen". Als ein
Werk abbrannte, gab es zwar Gasalarm für die Umgebung, aber die Behörden
hätten mit ihren Instrumenten nichts Giftiges in der Luft nachweisen können. Normalerweise
geht das Team die Probleme jedoch systematischer an. Da gibt es Listen mit
dem, was reinkommt ins Werk, dem Input. Und es gibt welche für das was
rausgeht, den Output. Dort sind jeweils die wichtigsten Stoffe für jeden
Bereich verzeichnet, samt den Mengen, in denen sie anfallen. Anhand dieser
Listen spürt die Gruppe dann eventuellen Öko-Belastungen nach. Als
erste Tat fuhr die Arbeitsgruppe Ökologie nach Freiburg zum Hauptlieferanten
des von Kunert überwiegend verwendeten Garns aus Polyamid und nahm dessen
Experten ins Gebet. Vor allem interessierte sich die Gruppe für das
Titandioxid, mit dessen Hilfe der Kunstfaser unerwünschter Glanz genommen
wird. Die Kunert-Leute wußten, daß bei der Herstellung von Titandioxid
Dünnsäure anfällt, die früher in der Nordsee verklappt wurde. Zu ihrer
Beruhigung erfuhren sie, daß der Lieferant seine Dünnsäure in einem
geschlossenen Kreislauf verwendet. Weniger
zufriedenstellend als bei den Fasern gestaltet sich die Lage bei den Farben.
Die rote war früher krebserregend, die besonders beliebte schwarze belastet
die Abwässer mit Chrom ,,und Grün, das zieht keine Frau an", lästert
Sprecher le Maire. Abhilfe verspricht ein anderes Schwarz, das aber nur ein
Teil der Färbemaschinen verkraftet. So
kämpft sich die Arbeitsgruppe allmählich durch das Sammelsurium von Stoffen,
Teilen und Ressourcen, die irgendwo im Betrieb verwendet werden oder
entstehen. Von der Wickelkarte zum Hakenetikett, vom Ölverbrauch zur
Seewasserentnahme, vom unlackierten Bleistift zum Taschenrechner mit
Solarzelle. 80 000
Artikel müßte allein die vollständige Input-Liste erfassen, stöhnt
Umweltbeauftragter Ulrich Langenhorst über die ,,Sisyphos-Arbeit, das alles
zu durchforsten". Wenn
Kunert die Erkenntnisse schließlich gewonnen hat, bleibt immer noch die Frage
nach den Konsequenzen. Nicht recht glücklich ist die Firma beispielsweise mit
dem Garn Lycra, weil es sich nicht recyclen läßt. Doch die Frauen lieben das
Material, da es die Paßform erhöht, und ,,wenn der Verbraucher schreit",
meint le Maire, ,,macht man die halt". Selten lassen sich die Probleme
so elegant loswerden wie überzählige Strümpfe. Dafür gibt es eine Menge
dankbarer Abnehmer, einer verwendet sie als Wurstpelle. Immerhin,
wer der Umwelt was Gutes tut, kann Pluspunkte bei seinen Geschäftsfreunden
verbuchen. So schlug bei Kunert ,,die Geburtsstunde der ökologischen
Bewegung", als 1979 alle Welt die neue Wärmerückgewinnungs-Anlage
besichtigen wollte. Selbst die für die Werbung in Italien Zuständigen schickten
wegen der begeisterten Resonanz dort ein Telegramm. Die Händler bekommen das
Gefühl, ,,ihr Lieferant ist modern und clever", erläutert le Maire. Ökologie
in der Werbung kommt an, das stellen auch andere fest. Bei einem
wissenschaftlichen Vergleich verschiedener Werbespots lag der Umweltstreifen
für Ariel ultra weit vorn. Die Forscher freuten sich über den ,,hohen
Impact" (Einprägsamkeit) und die enorme Kaufwilligkeit (42 Prozent) der
Versuchspersonen. Solche
Ergebnisse sind kein Zufall. Die Marktforscher des Nürnberger Instituts GfK
hielten in einer Studie fest: 62 Prozent der 23 Millionen bundesdeutscher
Haushalte zählen mittlerweile zur Gruppe der ,,Umweltbewußten". Die
Forscher haben auch eine Erklärung für diesen Trend. Gerade weil die Deutschen
zumeist im Wohlstand aufwuchsen, leisten sie sich solche ,,postmateriellen
Werte" - zusammen mit anderen Bedürfnissen, die sich eher unter
,,Luxus" zusammenfassen lassen. 56 Prozent sagen: ,,In meinem Haushalt
werden viel weniger umweltschädliche Produkte verwendet als früher".
Vier Jahre früher behaupteten das lediglich 21 Prozent. Zumindest
einige Teile des Marktes bekommen den neuen Trend zu spüren. Umweltbewußte
Haushalte kaufen beispielsweise 42 Prozent weniger Weichspüler und 44 Prozent
weniger Schaumbäder. Wenn
die Fortschrittlichen unter den Verbrauchern zugreifen, dann gezielt. Die
<hk>Frosch</hk>-Reiniger aus Seife und Essig etwa schafften dank
ihres Öko-Image auf dem ,,hart umkämpften Haushaltsreiniger-Markt" den
zweiten Platz hinter Meister Propper, was die Lebensmittelzeitung an das
Märchen vom Froschkönig erinnerte. Und diese Kunden bevorzugen Läden mit
Öko-Image. Der GfK-Studie zufolge kaufen umweltbewußte Haushalte verglichen
mit anderen 21 Prozent mehr bei Tengelmann und entsprechend weniger bei Aldi
und ähnlichen Billigläden. Kein
Wunder, daß der Handel auf Öko setzt. Tengelmann profilierte sich mit dem
Verzicht auf Froschschenkel sowie Schildkrötensuppen und warf bereits 1987
phosphathaltige Waschmittel aus den Märkten. Solche Aktionen verfehlen ihre
Wirkung auf die Hersteller nicht. Als Tengelmann Mitte 1988 FCKW-Sprays
verbannte, machte der Handelsriese eine interessante Erfahrung: ,,Ein
internationaler Anbieter von Haarspray, der zunächst glaubte, nicht betroffen
zu sein, war sogar noch in der Lage, seine Produktion innerhalb von sechs
Wochen auf Butan-Gas umzustellen", berichtet Dr. Hans Christian Bremme
von Tengelmann. Wer auf
Druck einer Kette erst mal umweltfreundliche Produkte herstellt, bietet sie
dann natürlich auch den anderen Ketten an. So entsteht der ,,ecology
pull": Eine Gruppe von Verbrauchern zwingt zunächst eine Handelskette zu
besseren Waren, nach einiger Zeit werden sie überall angeboten und auch von
gleichgültigen Verbrauchern gekauft. Während
der Handel den Schwarzen Peter an seine Lieferanten weiterschieben kann,
müssen die sich etwas einfallen lassen. 1988 hat die Industrie laut
Statistischem Bundesamt 1988 acht Milliarden Mark in den Umweltschutz
investiert, vier Jahre zuvor war es noch nicht einmal die Hälfte. Aber reicht
das? Beispiel
Chemie: Allein die BASF hat 1989 1,2 Milliarden Mark für den Umweltschutz
ausgegeben. Das Geld geht in aufwendige Abwassersysteme mit Kläranlagen, in
fabrikgroße Öfen für die Rückstandsverbrennung, in Filter für die
Abgasreinigung. Der Aufwand lohnt sich, meint der Chemiekonzern stolz und
präsentiert Kurven, auf denen der eigene Schadstoffausstoß nach unten geht. Die
anderen Firmen waren auch nicht faul. Stolz legt der Verband der Chemischen
Industrie (VCI) eine Bilanz vor: In den vergangenen 25 Jahren verdreifachte
sich die Produktion, die Luftbelastung durch die Branche aber ging um 70
Prozent zurück, die des Abwassers sogar um 90 Prozent. In der
Umweltbewegung haben sich diese Erfolge noch nicht herumgesprochen, weshalb
Nikolaus Geiler, Wasserspezialist des Bundesverbands Bürgerinitiativen
Umweltschutz (BBU) ihr ein ,,zunehmend falsches Bewußtsein" bescheinigt.
Auch Andreas Ahrens vom Hamburger Ökopol-Institut bestätigt, daß die
Chemische Industrie ,,schlechterdings wegen ihrer Abwasseremissionen kaum
noch anzugreifen ist". Ahrens
steht keineswegs im Lager der Chemischen Industrie, er hat vielmehr für
Greenpeace die Umweltbilanz des VCI analysiert. Dabei fand er entscheidende
Schwächen in der Argumentation. Was die
Industrie an Schadstoffen aus Abwasser und Abgasen holt, fällt eben woanders
an: ,,Der Preis von sauberer Luft und sauberem Wasser sind Abfallberge",
kritisiert Ahrens. Wirklich gelöst würde das Problem nur, wenn die
Schadstoffe ganz vermieden würden. Das allerdings würde oft bedeuten, die
komplette Produktion umzustellen oder ganze Zweige davon umzustellen. Zu
einem solchen ,,integrierten Umweltschutz" zeigt die Industrie jedoch
wenig Neigung, Ahrens sieht ihn bisher ,,nur in Ansätzen". Mindestens
so gravierend ist die zweite Hauptschwierigkeit: Nicht die unerwünschten
Abfälle der Chemischen Industrie sind das Problem, sondern ihre bewußt
hergestellten Erzeugnisse. Das weitaus meiste Gift verläßt die Fabrik nicht
durch Abwasserrohre oder Schornsteine, sondern durch den Haupteingang - als
sogenanntes Pflanzenschutzmittel beispielsweise. Am Ende landet es aber doch
im Wasser oder in der Luft. ,,Die größte Emission der Chemieindustrie sind
ihre Produkte", spottet Nikolaus Geiler vom BBU. Allen
schönen Reden zum Trotz weigert sich die Industrie auch, auf das längst
verrufene PVC zu verzichten. Zwecks Beruhigung der Öffentlichkeit will sie
sich ums Recycling kümmern. Ein ,,Popanz", sagt Ahrens. Selbst wenn, wie
angestrebt, in 15 Jahren eine Recycling-Quote von 30 Prozent erreicht würde,
wäre dieser Erfolg ,,schon im vorhinein aufgefressen". Denn jedes Jahr
sollen zwei Prozent mehr PVC in den Markt gedrückt werden. Vor dem
gleichen Dilemma steht die Auto-Branche. Sie propagiert Umweltschutz und
produziert den Umweltfeind par excellence. Beispiel
Opel: Aus ihrer Marktforschung wissen die Rüsselsheimer, daß die Käufer von
morgen Umweltfreundlichkeit für das zweitwichtigste Automerkmal halten,
gleich nach der Sicherheit. Also betonen sie ihre Vorreiter-Rolle bei der
Einführung des Katalysators in Deutschland. Umweltbeauftragter Hans-Joachim
Kinzel verweist auf die 60 Millionen für Umweltschutzmaßnahmen beim Bau der
neuen Lackiererei in Bochum. Sie kommt bei Metallic-Lacken mit 12 Prozent
bedenklichen organischen Lösemitteln aus statt den üblichen 80 Prozent. Statt
bis zu 500 Gramm des giftigen Schwermetalls Cadmium stecken in den neuen
Wagen weniger als zwei. Auch
zum Verbrauch und zu den Abgasen ihrer Autos führen die Opel-Leute
Statistiken. Die Ingenieure freuen sich, daß ihre neuen Modelle im Schnitt
nur noch 7,5 Liter Sprit pro 100 Kilometer schlucken, statt beinahe zehn wie
noch 1978. Entsprechend ging der Ausstoß des Kohlendioxids zurück, dieses Gas
verursacht den Treibhauseffekt. Aber
auch hier gilt: Diese Einsparungen werden aufgefressen, wei mehr Autos
verkauft werden, die dann weiter fahren und schneller rasen. Karlheinz
Breitwieser, Leiter der Motorenentwicklung, gibt zu, es wäre ,,töricht zu
sagen, die Opelflotte braucht weniger Kraftstoff als vorher". Genau das
suggeriert allerdings die Werbeabteilung des Hauses. Die
Industrie neigt immer wieder zur gleichen Strategie: Sie verbessert mit
beachtlichem Aufwand und vordergründigem Erfolg Einzelprobleme, aber der Kern
bleibt unberührt. So versucht sie jedoch, der Öffentlichkeit weiszumachen,
die bislang bedauernswerterweise übersehenen Umweltprobleme stünden kurz vor
der Lösung. Die Verbraucherinnen und Verbraucher könnten also ruhigen
Gewissens weiter konsumieren, bräuchten nicht einmal vor dem Kauf eines
schnellen Autos zurückschrecken, beschwerliches Umdenken sei nicht nötig. Wer
seine eigenen Anstrengungen, die öffentliche Meinung zu gewinnen, für nicht
überzeugend genug hält, der wird zum Öko-Sponsor. Statt einem fetten
Werbevertrag für Boris Becker rückt er Geld für die Natur heraus und hofft,
daß sich sein Ansehen dadurch verbessert. Der Waschmittel-Konzern Procter
& Gamble stiftet 50 000 Mark für neue Bäume im Westerwald,
Ministerpräsident Bernhard Vogel schwang bei der Pflanzaktion symbolisch den
Spaten. Die Lufthansa sponsort die Stiftung Europäisches Naturerbe, die sich
in einem spanischen Naturpark um ihren Wappenvogel Kranich kümmert - die
Unterstützung für die Helfer gibt's ,,nicht zum geringsten Teil in
Flugtickets" wie die ,,Zeit" boshaft anmerkte. Brillen-Fürst
Fielmann zahlt eine Million im Jahr beispielsweise für Biobauern - aus dem
PR-Etat. ,,Und wenn's denn unbedingt sein muß, werden auch noch ein paar Mark
für die Rettung des Sumpfhuhnes locker gemacht", lästert Fritz Lietsch
von der Altop GmbH, die das Alternative Branchenbuch herausgibt. Rudolf
Schreiber, wegen seiner ökologisch orientierten Unternehmensberatung bekannt
als ,,grüner Rudi", verkündete kürzlich in der Werber-Zeitschrift
Horizont: ,,Sponsering ist Pipifax und eine vorübergehende Erscheinung, die
nur ein Schritt in die richtige Richtung sein kann." Oder in
die falsche. Ein Manager der Mobil Oil plauderte einmal die Motive für die
Sponsering-Aktivitäten seiner Firma aus: ,,Diese Programme schaffen genügend
öffentliche Akzeptanz, so daß wir uns erlauben können, bei substantiellen
Angelegenheiten hart zu bleiben". Auch
wenn derartiger Zynismus die Ausnahme sein sollte, die Chefetagen werden nie
die treibende Kraft im Umweltschutz werden. Allen feierlichen Erklärungen zum
Trotz entscheiden Manager nun mal nach Gesichtspunkten von Gewinn und
Verlust. Wenn der Unternehmer Georg Winter mit dem Buch ,,Das umweltbewußte
Unternehmen" seine Standesgenossen aufruft, nicht nur rentable Maßnahmen
zu ergreifen, ehrt ihn das, aber mehr als ,,Gewissensruhe, Familienfriede und
soziale Achtung" kann er nicht versprechen. Die Aktionärs-Versammlungen,
vor denen Firmenvorstände bestehen müssen, legen da ganz andere Maßstäbe an.
Das weiß Winter natürlich, deshalb versieht er kostensparende
Umweltschutzmaßnahmen in seinen Vorschlagslisten mit einem Sternchen. Das
weiß auch Klaus Töpfer und er erinnert daran ausgerechnet bei der Kür der
Capital-Öko-Manager, wo alle das hohe Lied der sozialen Verantwortung singen.
Es wäre ,,blauäugig", spottet der Umweltminister, von Unternehmern zu
erwarten, daß sie die Umwelt nicht schädigen, wenn das rein
betriebswirtschaftlich durchaus Sinn macht. |