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Psychoguerilla |
Über zwanzig Jahre sehnten sich die Psychologen nach einem Psychotherapeutengesetz, um endlich ihrem Beruf unabhängig von Medizinern nachgehen zu können. Nun bekommen sie es vernünftigerweise – und drohen, sich nicht daran zu halten. Denn bisher durften die Seelenkundler in psychiatrischen und anderen Kliniken praktizieren, wie es ihnen und dem Chefarzt paßte. Jetzt sollen sie Qualifikationen in einer wissenschaftlich anerkannten Therapiemethode vorweisen. Damit haben all die Therapeuten ein Problem, die ihre Ausbildung in obskuren Ecken des florierenden Psychobasars absolviert haben und sich über die oft ernüchternden Ergebnisse der Psychotherapieforschung erhaben fühlen. Den Ausweg weist der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen gemeinsam mit anderen Fachorganisationen: Die Kollegen müßten ihre Behandlungen eben "umbenennen". Die Verbände scheuten sich nicht, so schriftlich zur Guerilla-Therapie aufzurufen. Die eigentlich schon jetzt auf anerkannte Verfahren festgelegten Kassen-Psychologen praktizieren diese Spielart des Betrugs bereits. Das mußte Professor Hans-Ulrich Wittchen vom Münchner Max Planck-Institut für Psychiatrie feststellen, als er in der psychologisch bestens versorgten Großstadt einen Therapeuten für einen Angstpatienten suchte. Er rief elf niedergelassene Kollegen an, alle besaßen eine Zulassung für Verhaltenstherapie – einer anerkannten und bei diesem Problem nachgewiesenermaßen überlegenen Methode. Keiner sah sich in der Lage zu helfen. Drei hatten keine Zeit, vier kannten die einschlägigen Verfahren nicht, zwei behandelten Angstprobleme lieber mit wenig erforschten gestalttherapeutischen und bioenergetischen Techniken, und der Rest machte überhaupt keine Verhaltenstherapie mehr. Es stimmt schon: Auf der von den Verbänden attackierten Liste anerkannter Verfahren fehlen Methoden, die längst bewiesen haben, daß sie Menschen in seelischen Nöten helfen können – etwa die Gesprächstherapie nach Carl Rogers. Dafür steht dort die Langzeit-Psychoanalyse, obwohl keineswegs klar ist, daß ihre Erfolge den hohen Kosten auch nur annähernd entsprechen. Doch die Krankenkassen geben einen großen Teil ihres Etats für sie aus, weil die bislang einflußreichen Ärzte diese Therapie favorisieren. Nun sollen auch Vertreter der Psychologen mit entscheiden dürfen. Die Verlautbarungen der Verbände verraten, daß auch sie vor allem die Interessen ihrer Mitglieder bedienen werden. Schon machen sie sich für Außenseiter-Verfahren wie Kunsttherapie stark, auch wenn bisher niemand nachgewiesen hat, daß diese den Patienten viel nützen. Die Psychologen haben es geschafft, den Ärzten gleichgestellt zu werden. Doch eines haben sie vergessen: Wenn Heilkundige Patienten nicht gemäß dem Stand der Wissenschaft, sondern nach eigenem Gutdünken behandeln, drohen ihnen Prozesse wegen Kunstfehlern. |