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Tiere sind auch nur Menschen
von Jochen Paulus
(Campus, SWR 2, 1.3.03)

Pferdegetrappel

Das Experiment an der Universität Texas wird wahrscheinlich keines der 103 beteiligten Pferde so schnell vergessen. Als erstes wurde vor jedem Gaul ein quiekendes Spielzeugschwein losgelassen. Dann hielt ein Assistent einen aufgeblasenen Luftballon ans Hinterteil des Rosses und brachte ihn mit einer Sicherheitsnadel zum Platzen. Beim glorreichen Finale ließ ein Helfer einen Regenschirm Richtung Pferdekopf aufklappen. Die ganze Zeit sprach ein Forscher ins Diktiergerät, wie das Tier reagierte: Weiteten sich seine Augen? Riss es den Kopf herum? Machte es Sprünge? Greifbare Resultate brachte der Versuch freilich keine.

Pferdegewieher

Die Wissenschaftler wollten so herausbekommen, ob auch Pferde über Persönlichkeitseigenschaften verfügen – ein Tier also beispielsweise besonders ängstlich oder eher mutig ist.

Tiergeräusche unter nächsten Sprechertext

An dergleichen Persönlichkeitsforschung versuchen Gelehrte sich immer wieder. 187 einschlägige Studien wurden vor zwei Jahren gezählt. Forschungsobjekte sind Ratten, Ziegen, Wölfe, Frettchen, Geparden und was noch so kreucht und fleucht. Regelmäßig werden hochinteressante Befunde gemeldet.

Da wurde Zebrafischen ein ängstlicher Charakter bescheinigt, weil sie nicht in den beleuchteten Teil eines Aquariums schwimmen mochten. Geparden, die ihr Spiegelbild anknurrten, mussten sich als aggressiv bezeichnen lassen. Bei Schweinen wiederum soll es besonders soziale Naturen geben. Sie reiben gerne ihre Nasen an Artgenossen.

Schweinegrunzen

Aber kann man das nicht irgendwie alles etwas systematischer erforschen? Mit bewährten Fragebögen zum Beispiel? Klar kann man das, auch wenn mancher sich die Szene völlig falsch vorstellt. Der hochangesehene Persönlichkeitspsychologe Paul Costa aus Baltimore erklärt, wie es nicht geht:

 Many people have an image of a bear sitting with paper and pencil, trying to fill in little answer sheets. But no, actually the knowledgeable raters or zookeepers and attendants have done the ratings.

 

Viele Leute sehen in Gedanken einen Bär mit Bleistift vor sich, der versucht, einen Fragebogen auszufüllen. Tatsächlich geben aber die Zoowärter die Antworten.

Wenn verschiedene Wärter das gleiche Tier beurteilen, stimmen ihre Antworten recht gut überein. Es scheint also etwas dran zu sein, wenn ein Bär als besonders reizbar eingestuft wird.

Bärengebrüll

Vor allem aber lassen sich mit solchen Fragebögen die Big Five erfassen. Diese fünf grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften finden Psychologen wie Costa bei Menschen immer wieder, nämlich: Extraversion, emotionale Stabilität, Offenheit, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Und siehe da: Tiere sind auch nur Menschen. Bloß bei einer einzigen Eigenschaft müssen die meisten Tierarten passen  – bei der Gewissenhaftigkeit.

 And while only chimpanzees show all five dimensions most other animals show four of the Big Five. It’s really quite amazing … But bears and octopuses and all kinds of animals can be described in terms of their extraversion and emotional stability, their openness and curiosity and friendliness or hostility, which is agreeableness.

 

Nur Schimpansen verfügen über alle fünf Dimensionen. Aber die meisten anderen Tiere haben vier der Big Five. Es ist wirklich erstaunlich. Bären und Tintenfische und viele andere lassen sich beschreiben mit Begriffen wie Extraversion, emotionale Stabilität, Offenheit und Verträglichkeit.

Da schlägt  halt das gemeinsame evolutionäre Erbe durch. Gut, im Tierreich äußert sich Persönlichkeit etwas anders. Introvertierte Menschen drücken sich bei der Party irgendwo am Rand herum. Der scheue Tintenfisch dagegen versteckt sich bei der Fütterung in seiner Höhle, indem er seine Farbe der Umgebung anpasst. Aber wäre er zur Party eingeladen, würde sicher auch er versuchen, sich dort unsichtbar zu machen..

 


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