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Guten Tag, Frau äh! Psychologie nach Zahlen: Wie hieß
diese Frau doch gleich? Fünf psychologische Strategien, um sich Namen besser
einzuprägen. |
Kaum dass uns eine Person vorgestellt wurde, haben wir oft schon wieder vergessen, wie sie heißt. Unser Gehirn ist offenbar nicht darauf ausgelegt, Gesichter mit Namen zu verbinden. Doch Psychologen haben Strategien entwickelt, unserem Denkorgan nachzuhelfen, und einige davon sind sogar praxistauglich. Serge Brédart von der belgischen Université de Liège hat sie nun zusammengefasst. 1 Namen nach NasenDer Rückgriff auf die folgende klassische Technik kann recht lustig sein. Sie geht – in einem englischsprachigen Beispiel – so: Als Erstes suchen Sie nach einem typischen Kennzeichen der Person, deren Namen Sie sich merken wollen. Glücklicherweise hat sie eine breite Nase und die erklären Sie zum entscheidenden Merkmal. Jetzt nehmen Sie sich den Namen vor, der wenig gedächtnisfreundlich Smolensky lautet. Macht nichts, Sie unternehmen, was die Fachwelt hochtrabend eine phonologische Analyse nennt, und zerlegen den Namen in die Wörter small (klein), lens (Linse, aber auch Kameraobjektiv) und ski (ist ja klar). Jetzt verbinden Sie alles vor Ihrem geistigen Auge zu einem Bild: Ein Mann mit einer kleinen Kamera fährt auf Skiern Herrn Smolenskys breite Nase hinunter. Dieses Bild prägen Sie sich ein. Wenn Ihnen Smolensky mit seiner breiten Nase später wieder unter die Augen kommt, rufen Sie das Bild ab und rekonstruieren seinen Namen. Der Gedächtniskünstler, auf den die Methode zurückgeht, merkt sich so angeblich fast 400 Namen. In sieben Minuten. Auch in Experimenten mit Studierenden klappt das Ganze hervorragend. Doch leider sind die meisten Menschen keine Gedächtniskünstler und zum ewigen Bedauern psychologischer Forscher ist der Großteil der Welt kein psychologisches Labor. Und so musste man denn feststellen: Wer im Alltag beim Kennenlernen auf den anderen eingehen muss, statt sich der Gedächtnisakrobatik zu widmen, kann die Methode nicht einmal dann erfolgreich anwenden, wenn er sie zuvor fleißig trainiert hat. 2 Das KennenlernspielZu Beginn eines Seminars verordnet die Leitung gerne das Namensspiel, allerdings oft in der folgenden suboptimalen Variante: Alle sitzen im Kreis und der Erste sagt seinen Namen, vielleicht darf er auch noch ein Hobby oder dergleichen hinzufügen. Die Nächste wiederholt das Gesagte und stellt sich selbst genauso vor. Die Dritte folgt dem Beispiel und so weiter. In einem Experiment zur Überprüfung der Methode wurde dabei kurz der Name an eine Tafel geschrieben, aber dann gleich wieder abgewischt, damit die Nächsten im Gedächtnis suchen mussten. Das erwies sich als wichtig. So erinnerten die Versuchspersonen sich an 50 Prozent der Namen. Ohne Abwischen schafften sie nur 32 Prozent – reines Wiederholen nützt also nicht so viel. Die Prozedur hat aber eine Schwachstelle, die sich etwa am Beispiel des zehnten Teilnehmers veranschaulichen lässt. Er muss acht Namen wiederholen, bevor er schließlich zu dem des neunten Teilnehmers kommt. Deshalb besteht die Gefahr, dass er den nur einmal gehörten vergisst, während er mühsam die vorigen acht Namen aus dem Gedächtnis kramt. Dieses Problem lässt sich – Seminarleiterinnen und -leiter aufgepasst – mit einer simplen Änderung umgehen: Jeder Gedächtniskrämer nennt erst den zuletzt gehörten Namen, dann den vorletzten und so weiter. So blieben in der Studie fast 62 Prozent der Namen in Erinnerung. 3 PsychologenpartyAber wie bekommt man die ewig flüchtigen Namen von Partygästen in sein Hirn? Ein Team der Universität Lancester lud Studienanfänger zu einer experimentellen Party. Es gab Musik, Snacks, alkoholfreie Getränke und die Aufgabe, sich möglichst viele Namen der Feiernden einzuprägen. Einige Teilnehmer wurden in einer gut belegten Lerntechnik instruiert: Kurz nachdem sie einen Namen erfahren hatten, sollten sie versuchen, sich an ihn zu erinnern. Etwas später noch einmal und dann gelegentlich in länger werdenden Abständen. Weiteren Teilnehmern wurde die Methode mit der Bildkomposition aus körperlichem Merkmal und Namensassoziation erklärt (siehe oben, Punkt 1). Wieder andere durften selbst sehen, wie sie klarkamen. Die beiden letzten Herangehensweisen nutzten gleich wenig, was einmal mehr den fehlenden praktischen Nutzen der Bildkompositionsstrategie zeigt. Mit fast doppelt so vielen Namen konnten bei Tests an den Folgetagen jedoch die aufwarten, die sich in größer werdenden Abständen wiederholt die Namen vergegenwärtigt hatten. 4 Auf die Stirn geschriebenÄltere Menschen merken sich Neues oft besonders schwer. Das liegt auch daran, dass sie sich leicht ablenken lassen, etwa wenn bei der Familienfeier mal wieder alle gleichzeitig reden, während sich der neue Verlobte der Nichte vorstellt. Diese mangelnde Fähigkeit, Unwichtiges auszublenden, nutzen Lernpsychologen. Sie zeigten beispielsweise Bilder von Personen mit Namen in blauer Schrift auf der Stirn. Auf die Namen sollten die Probanden freilich gar nicht achten, doch bei den Älteren blieben sie trotzdem hängen. Vielleicht könnte also beim nächsten Geburtstagsfest jeder Teilnehmer seinen Namen blau auf die Stirn schreiben. Das schlagen die kanadischen Forscher um Renée Biss von der University of Windsor allerdings nicht vor. Aber sie haben eine andere Idee: Wenn ein älterer Mensch ein bisschen am Tablet spielt, könnten zwischendurch die Bilder und Namen von Bekannten aufleuchten. Der greise Spieler müsste sie sich gar nicht bewusst einprägen und würde sie doch lernen. 5 Strom fürs HirnVielleicht eher etwas für Jüngere ist die transkranielle Gleichstromstimulation. Elektroden auf der Kopfhaut leiten dabei schwache Ströme durch bestimmte Gehirnregionen. In einigen Laborstudien lernten Probanden so Namen besser. Wie das im Alltag funktionieren würde, ist unklar. Von zweifelhaften Do-it-yourself-Geräten aus dem Internet rät die Fachwelt jedenfalls ab. Fürs Erste ist es vielleicht doch sinnvoller, psychologische Techniken zu nutzen. Apropos: Wie hieß doch gleich noch der Bursche mit der breiten Nase? Serge Brédart: Strategies to improve name learning: A review. European Psychologist, 24/4, 2019, 349–358. DOI: 10.1027/1016-9040/a000363 |