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Links-Rechts-Forschung
 
(ZEIT WISSEN 5/2009)

Mit Experimenten und Feldstudien ergründen Forscher das Wesen von Konservativen und Linken. Die politische Haltung lässt sich demnach sogar an der Büroeinrichtung erkennen. Absurd? Das denken nur Konservative.

 

Gerechtigkeit

 

Die Nationalflagge verbrennen? Kein großes Problem für einen Linken. Aber Arme bestiehlt man natürlich nicht. Denn Gerechtigkeit und das Vermeiden von Leid sind die beiden Säulen linker Moral. Selbst für viel Geld würden Linke nicht dagegen verstoßen, versicherten sie Forschern der University of Virginia [1]. Rechte halten neben Gerechtigkeit und Schadensvermeidung noch andere Werte in Ehren: die eigene Gruppe (nicht gegen die eigene Mannschaft wetten), Autorität (nicht den eigenen Vater schlagen, auch nicht mit seinem Einverständnis in einem Sketch) und Reinheit (bitte keine Bluttransfusion von einem Sittlichkeitsverbrecher).

 

Kindheit

 

Als Dreijährige wirken die späteren Linken kompetent, autonom und ausdrucksfreudig, und sie verlassen sich gern auf sich selbst [2]. Die späteren Rechten zeigen als Dreijährige einen Hang zu Schuldgefühlen, mögen keine Unsicherheiten und erstarren bei Schwierigkeiten. Auch als Erwachsene sind Rechte ängstlicher – im Labor erkennen sie Wörter wie »Schlange« oder »Straßenräuber« besonders schnell. Psychologen glauben deshalb, dass Ängste konservativer machen. Veränderungen könnten ja gefährlich sein. Rechte bevorzugen ein einfaches, klares Weltbild [3].

 

Wohnung

 

Linke sind offener für neue Erfahrungen, und entsprechend viel liegt in ihren Schlafzimmern herum: Bücher über alles Mögliche, CDs aus den Bereichen Weltmusik, Folk, Klassik und Rock, dazu Landkarten, Kinokarten und Kunstobjekte. US-Forscher haben für diese Erkenntnis 76 Schlafzimmer besucht und die Bewohner nach ihrer politischen Einstellung befragt.

Die Schlafzimmer der Rechten sind ordentlicher: Mehr Wäschekörbe wurden gesichtet, mehr Bügeleisen sowie Nadel und Faden – allerdings auch mehr Alkoholika. Hinzu kommen viele Sportutensilien und etliche Nationalflaggen, außerdem hängen sogar im Schlafzimmer Terminkalender. Rechte besitzen nämlich eine Extradosis Gewissenhaftigkeit [4].

 

Zufriedenheit

 

Linke sind oft nicht besonders glücklich. So priesen sich 2006 in den USA nur 28 Prozent der linken Demokraten als sehr glücklich, jedoch 47 Prozent der rechten Republikaner. In anderen Teilen der Welt ergibt sich ein ähnliches Bild, wobei die Unterschiede in armen Ländern sogar noch größer ausfallen [5]. Rechte genießen das Leben recht unbeschwert. Das liegt daran, dass sie weniger als die Linken an der Ungerechtigkeit der Welt leiden. Sie finden, dass jeder seines Glückes Schmied sei – oder eben nicht.

 

Ekel vor Spinnen

 

Linke zeigen geringere körperliche Schreckreaktionen. Das stellte sich heraus, als US-Wissenschaftler Freiwilligen am Computer nacheinander 33 Bilder zeigten. Zwischen harmlosen Fotos präsentierten sie plötzlich eine große Spinne auf einem entsetzten Gesicht oder eine offene Wunde mit Maden. Der dadurch ausgelöste Schreck bringt Menschen ins Schwitzen und vergrößert so die Leitfähigkeit der Haut – bei Linken allerdings eher wenig [6]. Rechte sind schreckhafter – je stärker sie für Patriotismus, Rüstungsausgaben und die Todesstrafe eintreten, desto eher fahren sie zusammen. Das zeigte sich auch in einem zweiten Experiment. Diesmal erschreckten die Forscher ihre Probanden mit plötzlichem Lärm aus dem Kopfhörer. Die stramm Konservativen blinzelten deutlich häufiger als die Anhänger von Waffenverboten.

 

Intelligenz

 

 Linke schneiden im Mittel in Intelligenztests besser ab als Rechte. Das zeigen beispielsweise die Testergebnisse von fast 3000 Studienbewerbern an diversen US-Uni- versitäten [7].Verschiedene Erklärungen dafür werden diskutiert. Erstens: Schlaue Kinder können eigenständiger denken und werden so zu Linken, für die eine offene Geisteshaltung typisch ist. Zweitens: Starres Denken macht konservativ. Drittens: Weniger intelligente Menschen finden die Welt unheimlich und neigen daher eher zum Konservativen.

 

Töchter und Söhne

 

Linke haben mehr Töchter. Natürlich nicht, weil die politische Überzeugung das Geschlecht der Kinder bestimmen würde, sondern weil Menschen nach links rücken, wenn sie eine Tochter bekommen. Das gilt nicht nur für Wähler, sondern auch für amerikanische Kongressabgeordnete. Offenbar »unterminiert die Verbundenheit der Väter mit ihren Töchtern das Patriarchat«, kommentierte die Soziologin Rebecca Warner ihren Befund [8]. Rechte haben mehr Söhne. Hätten alle Wählerinnen und Wähler in Großbritannien einen Sohn mehr, bekämen die Konservativen zweieinhalb Prozent mehr Stimmen. In Deutschland gilt dies für die Väter genauso, für Frauen allerdings nicht. Den britischen Forschern ist das ein Rätsel [9].

 

Forschung

 

Linke stellen an den Universitäten den Großteil der Sozialwissenschaftler und verantworten somit auch die Studien darüber, wer links wählt und wer rechts. In den USA kommen auf einen rechten Forscher vier bis sieben linke. Werden ihre Ergebnisse als politisch motiviert angegriffen, antworten die (linken) Forscher, Daten seien nun mal Daten. Rechte ziehen die Forschungsergebnisse zu ihrer Persönlichkeit lautstark in Zweifel. Einen Forschungsüberblick karikierten sie als »Konservative spinnen«-Studie. Ein amerikanischer Kongress-Abgeordneter verlangte, dass solche Studien nicht mehr mit Steuergeld bezahlt werden sollten. Andere Kritiker argumentieren, dass auch extreme Linke engstirnig seien [10] – allerdings bestätigen Studien das nur bedingt [11].

Quellen:
[1] Journal of Personality and Social Psychology 96, Mai 2009, S. 1029 ff.;
[2] Journal of Research in Personality 40, Okt. 2006, S. 734 ff.;
[3] Psychological Bulletin 129, 2003, S. 339;
[4] Political Psychology 29, Dez. 2008, S. 807 ff.;
[5] Science 321, 2008, S. 1667 ff.;
[6] Psychological Science 19, Juni 2008, S. 565 ff.;
[7] Intelligence 37, Mai/Juni 2009, S. 294 ff.;
[8] Gender & Society 13, August 1999, S. 503 ff.;
[9] Noch unveröffentlicht;
[10] Psychological Bulletin 129, Mai 2003, S. 376 ff.;
[11] Psychological Bulletin 129, Mai 2003, S. 383 ff.

 

 

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